Prien: Besuch einer KZ-Gedenkstätte sollte für Schüler Pflicht sein
- Prien findet, Schule müsse Empathie vermitteln und dafür seien Erinnerungsorte wie KZ-Gedenkstätten wichtig.
- Auch die Jugendarbeit sei zentral – doch Vereine zur Demokratieförderung stehen finanziell unter großem Druck.
- Gleichzeitig häufen sich rechtsextremistische Vorfälle an deutschen Schulen.
Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) hat am Donnerstag in den Zeitungen der Funke Mediengruppe erklärt, alle Kinder und Jugendlichen sollten während ihrer Schulzeit eine KZ-Gedenkstätte besuchen. "Die Lehrpläne sollten das vorsehen", sagte sie. "Erinnerungsorte und die Beschäftigung mit Einzelschicksalen vermitteln Empathie."
Allerdings müssten Besuche in guten Unterricht eingebettet werden. "Der Besuch eines KZs allein macht noch keine Antifaschisten und keine Demokraten." Auch müssten sich Kinder und Jugendliche mit der Frage beschäftigen, wie es eigentlich in der eigenen Familie gewesen sei. Hilfreich könnten zudem Begegnungen mit Nachfahren von Opfern sein, aus Israel wie auch aus Mittel- und Osteuropa.
Erinnerungsorte und die Beschäftigung mit Einzelschicksalen vermitteln Empathie.
Prien zu NS-Gedenken: Schule muss Empathie vermitteln
Ziel ist für die Bundesbildungsministerin, für die Anfänge des Holocausts zu sensibilisieren. "Die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und der Judenmord haben ja nicht in Auschwitz begonnen", so Prien weiter. Es habe mit einer schleichenden Entrechtung, Entmenschlichung, Enteignung begonnen. Schule und Gesellschaft müssten Empathie vermitteln.
Denn nach Einschätzung Priens sind Menschen ohne Mitgefühl für den Nächsten eher verführbar. Menschenwürde sei "etwas wahnsinnig Kostbares" und müsse immer wieder beschützt werden. Das müsse Kindern beigebracht werden. Nicht nur in Schulen und dem Elternhaus könne das geschehen, sondern auch in Vereinen und bei der Jugendarbeit. "Jemand, der bei den Pfadfindern lernt, für andere einzustehen und Verantwortung zu übernehmen, der ist besser davor gefeit, solchen unmenschlichen Ideologien auf den Leim zu gehen", so Prien.
Jugendarbeit und Demokratieförderung unter Druck
Doch die Jugendarbeit steht enorm unter Druck. In vielen Kommunen werden den Vereinen die Mittel gekürzt. David Begrich, Mitarbeiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus beim Verein Miteinander in Magdeburg sagte MDR AKTUELL dazu: "Da gibt es viele Entwicklungen, die einfach besorgniserregend sind, was die Frage von Strukturabbau und die Reduzierung von Geldmitteln angeht."
In Salzwedel etwa hat der Stadtrat Gelder für Demokratieförderung vom Bund abgelehnt – insgesamt 140.000 Euro. Als Gründe dafür nannte die kommunale Koalition aus AfD-, CDU- und freien Stadträten die Eigenmittel, die die Kommune zuschießen müsste, 4.500 Euro jährlich, – aber auch "politische Einflussnahme". Eine Konsequenz des Entschlusses: Das AWO Jugendzentrum in Salzwedel kann nun nur noch auf Sparflamme arbeiten.
Die Unionsfraktion im Bundestag stellte wiederum Anfang des Jahres 551 Fragen zu Nichtregierungsorganisationen an die Bundesregierung, nachdem viele von ihnen wegen der Abstimmung mit der AfD im Bundestag zu Demonstrationen aufgerufen hatten, bei denen die Union stark kritisiert wurde. In den Fragen ging es unter anderem um die staatliche Finanzierung der Organisationen. Hans Vorländer, Demokratieforscher von der TU Dresden, wertete dies MDR AKTUELL gegenüber als Einschüchterungsversuch.
Ein Drittel der Bevölkerung will "Schlussstrich" unter NS-Zeit
Indes häufen sich an deutschen Schulen rechtsextremistische Vorfälle. Neuntklässler aus Görlitz zeigen einen Neonazi-Gruß vor dem früheren Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. In Oelsnitz kündigt eine Oberschullehrerin, weil sie von Rechtsextremen bedroht wird. In Gießen stimmte die Mehrheit eines Abschlussjahrgangs für Nazi-Parolen als Abi-Mottos. Wie eine Abfrage des Magazins "Stern" unter den Landeskriminalämtern der Bundesländer ergab, hat sich die Zahl der bei der Polizei gemeldeten Fälle in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt.
Wenn Jugendclubs, Beratungsstellen, Vereine und Initiativen vor Ort schließen müssen, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn Nazis sich weiter diese Räume nehmen.
Auf die Häufung rechtsextremistischer Vorfälle an sächsischen Schulen hatte gestern auch die Linken-Abgeordnete Luise Neuhaus-Wartenberg bei einer Debatte im Landtag Bezug genommen: "In Sachsen vergeht kaum eine Woche, in der es keine Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund an einer Schule gibt". Auch sie betonte, dass die Schule ein Ort für Aufklärung und Prävention sein müsse.
Kultusminister Conrad Clemens (CDU) erinnerte an die kürzlich verstorbene Holocaust-Überlebende Margot Friedländer. In Erinnerung an solche Menschen müsse an Schulen und anderswo gelten: "Keine Toleranz gegenüber Rechtsextremismus".
Doch in der Ende April veröffentlichten "Gedenkanstoß MEMO-Studie" forderte mehr als ein Drittel der Befragten (38,1 Prozent) einen Schlussstrich unter die NS-Zeit. Vor allem AfD-Anhänger stimmten der Aussage zu. Ende März hatte eine andere Umfrage ergeben, dass mehr als die Hälfte der Deutschen einen Schlussstrich unter der NS-Vergangenheit befürworte.
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