Hawala: Wie illegale Geldtransfers auch Leben retten
Inhalt des Artikels:
- Geldfluss an legalen Banksystemen vorbei
- Hawala-Agenten sind die Schnittstellen im Finanzsystem
- Mit Hawala gelangen auch Hilfsgelder in Krisengebiete
Geldfluss an legalen Banksystemen vorbei
"Hawala" ist Arabisch und heißt übersetzt so viel wie "Zahlungsanweisung". Der Begriff steht für ein Finanzsystem, das ohne Konten und Quittungen auskommt und auf Vertrauen und Stillschweigen basiert. Laut Bundesamt für Verfassungsschutz hat es "seine Wurzeln in der frühmittelalterlichen Handelsgesellschaft des Vorderen und Mittleren Orients".
Noch heute wird das Prinzip an legalen Banksystemen vorbei weltweit genutzt. Milliarden werden so über Ländergrenzen verschickt, ohne Überwachung durch Zollämter, Steuer- oder Finanzbehörden. Für Geflüchtete ist es mitunter ein Weg, um Geld an ihre Familien übermitteln zu können, ohne dafür Konten besitzen zu müssen. Immerhin rund 1,4 Milliarden Erwachsene hatten 2021 nach Angaben der Weltbank kein Konto. Aber auch Drogenhändler und Terrornetzwerke nutzen Hawala, um ihre Finanzwege zu verschleiern. Nach Schätzungen der Bundesregierung aus dem Jahr 2020 drehe es sich jährlich um 200 Milliarden US-Dollar, die durch das System ihre Besitzer wechseln.
Hawala-Agenten sind die Schnittstellen im Finanzsystem
Transaktionen werden über sogenannte "Hawala"-Agenten (auch Hawaladare genannt) abgewickelt. Einer nimmt den Betrag entgegen, ein anderer zahlt ihn am Zielort aus. Als Sicherheit dient in der Regel ein Code, ohne den die Transaktion nicht durchgeführt wird. Dabei fließt das Geld nicht wirklich von A nach B, sondern vorhandene Töpfe der "Hawala"-Agenten werden zum Ausgleich miteinander verrechnet und die Agenten dafür bezahlt.
Das Hawala-System ist in Deutschland illegal und verstößt gegen die Geldwäscherichtlinien. Das ist nicht auf der ganzen Welt so. "Es gibt einige Länder im arabischen Raum, einige Länder in Afrika, in denen Hawala nach wie vor noch verbreitet und legal ist. Allerdings ist Hawala auch da auf dem Rückzug begriffen", sagt Matthias Casper, Professor für Kapitalmarktrecht an der Universität Münster im ARD-Magazin "Plusminus". Es sei zu beobachten, dass wenn moderne Banken in einem Land Fuß gefasst haben, Hawala rückläufig sei. "Aber es gibt es dort als alternative Zahlungsform", so Casper.
Mit Hawala gelangen auch Hilfsgelder in Krisengebiete
Hawala ermöglicht es Kriminellen, Gelder zu bewegen, ohne für staatliche Behörden Spuren zu hinterlassen. Durch das informelle Finanzsystem kann aber auch Geld zu Menschen in Krisengebieten gelangen, wenn es dafür keine offiziellen Bankwege gibt. Daher geht auch die Welthungerhilfe im seit 2021 von den Taliban beherrschten Afghanistan aus der Not heraus diesen Weg.
"Wir haben mehr als zwei Millionen Menschen am Leben erhalten", erklärt Sabine Pott von der Welthungerhilfe dem ARD-Magazin "Plusminus". "Wir können doch nicht sagen, weil dieses Land keinen Swift-Code hat, bekommen die Menschen keine Hilfe", sagt sie. Vertrauenswürdige Agenten würden dafür sorgen, dass das Geld in der Bank in Afghanistan ankommt. Wie es dann genau ins Projektgebiet gelangt, liege jedoch teils im Dunklen. "Wir können den Weg des Geldes nicht vollständig nachvollziehen, aber wir sind dabei, wenn das Geld in der Provinz verteilt wird", so Pott in "Plusminus".
Wir können doch nicht sagen, weil dieses Land keinen Swift-Code hat, bekommen die Menschen keine Hilfe.
Was sagt das Bundesentwicklungsministerium dazu? - bitte aufklappen
"Die Nutzung von Hawala für Finanztransaktionen in Deutschland oder aus Deutschland in ein anderes Land ist nicht zugelassen", erklärt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (kurz: BMZ) auf MDR-Anfrage. Weiter heißt es: "Transaktionen, die dem Hawala-Banking zuzurechnen sind, werden von der Bundesregierung weder getätigt noch beauftragt."
Das BMZ fördert Projekte der Entwicklungshilfe im Ausland, so auch der Welthungerhilfe. "In Ausnahmefällen, in denen es zur Rettung von Menschenleben oder zur Durchführung von besonders wichtigen Hilfsprojekten mangels verlässlicher Bankensysteme keine alternativen Möglichkeiten für Geldtransfers gibt, wird zugelassen, dass geförderte Zuwendungsempfänger und Durchführungsorganisationen nach Abwägung aller Risiken als ultima ratio ein Hawala-System im jeweiligen Zielland oder in engen Ausnahmesituationen zum Transfer aus Drittstaaten in die Zielstaaten nutzen", erklärt das Bundesentwicklungsministerium es auf MDR-Anfrage.
"Das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium haben diese Möglichkeit zum Beispiel für in Afghanistan und Syrien tätige Organisationen zugelassen", so das BMZ. Dabei seien gesetzliche Auflagen zu beachten und Berichtspflichten einzuhalten. Geachtet werde etwa auf Identitätsprüfungen bei der Auswahl des Anbieters und Abgleich mit Sanktionslisten. Schriftliche Vereinbarungen, Belege zu Transaktionen sowie das Vier-Augen-Prinzip sollen zudem für ein größtmögliches Maß an Transparenz sorgen.
MDR (cbr)
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