Kanzler Merz will die deutsche Sicherheitspolitik neu aufstellen. Dreh- und Angelpunkt soll ein Nationaler Sicherheitsrat sein. Doch mit der Schaffung eines neuen Gremiums allein ist es nicht getan.

Im Wahlkampf hat sich Friedrich Merz für eine "Sicherheitspolitik aus einem Guss" stark gemacht. Deutschland, erklärte er im Januar bei der Körber-Stiftung, brauche einen Nationalen Sicherheitsrat, um schneller und gezielter auf innen- und außenpolitische Krisen und Herausforderungen reagieren zu können. Angehören sollen ihm die für äußere und innere Sicherheit zuständigen Minister, Vertreter der Bundesländer und der wichtigsten Sicherheitsbehörden.

Eine Idee, die von Fachleuten begrüßt wird. Sie mahnen schon lange eine Reform der sicherheitspolitischen Strukturen an. Denn die stammen im Kern noch aus den 1960er-Jahren.

Deutschland habe sich viel zu lange ein Neben- und Gegeneinander sicherheitsrelevanter Ministerien geleistet, kritisiert Philipp Rotmann vom Global Public Policy Institute in Berlin. Die Folge: Doppelarbeit, Kompetenzstreitigkeiten, ein unvollständiges Lagebild - mit zum Teil fatalen Folgen, wie im Fall des chaotischen Abzugs der Bundeswehr aus Afghanistan.

Ob Corona-Pandemie oder Ukraine-Unterstützung

Man merke der deutschen Politik an, dass sie Problemen hinterherrennen müsse, statt in ein strategisches, vorausschauendes, geschlossenes Handeln zu kommen, meint Sarah Brockmeier-Large, Leiterin des Berliner Büros des Peace Research Institute. Und das liegt aus ihrer Sicht nicht nur an der Gleichzeitigkeit und der der Größe der Krisen, sondern auch an fehlenden Strukturen und Abläufen.

Ein regelmäßig tagender Nationaler Sicherheitsrat, in dem alle Fäden, alles Wissen zusammenläuft, könnte da einen Unterschied machen - vorausgesetzt, er bekommt Priorität eingeräumt und entsprechendes Gewicht. Doch das scheint nicht ausgemacht.

Vieles noch vage

Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD zwar für eine Weiterentwicklung des Bundessicherheitsrates zu einem Nationalen Sicherheitsrat ausgesprochen. Details aber sind offengelassen worden. Sie müssen nun ausverhandelt werden. Dabei geht es um sensible Fragen, auch darum, welche Kompetenzen und Befugnisse die Ministerien an das neue Gremium, das im Kanzleramt angesiedelt ist, abgeben müssen. Hinter den Kulissen ist durchaus Unmut spürbar.

Vielleicht schweigt sich die Bundesregierung auch deshalb über den Stand der Dinge aus. Die Vorbereitungen seien in vollem Gange, heißt es lediglich. In welche Richtung es geht, ob es einen Zeitplan gibt, welche Aufgaben der Rat haben wird, welche Themen er bearbeiten soll, bleibt offen.

Wer sitzt mit am Tisch?

Für viele Fachleute ist klar, dass neben den Ministerinnen und Minister sicherheitsrelevanter Ressorts auch die Geheimdienste mit am Tisch sitzen müssen. Ebenso wie Vertreter der Länder, die für innere Sicherheit verantwortlich sind.

Zudem brauche es einen Sicherheitsberater, der als Ansprechpartner und Schnittstelle zwischen Politik, Beamtenapparat und externen Beratern fungiere. Jemand, der fachlich versiert sei und gut kommunizieren könne, meint die Politikwissenschaftlerin Christina Moritz, die seit über 20 Jahren zum Thema Nationaler Sicherheitsrat forscht und ein Konzept erarbeitet hat: "Das kann ein Politiker, ein Wissenschaftler oder Diplomat sein. Jedenfalls jemand, dem man zutraut, dass er frei von jeglicher ressort- oder parteipolitischer Erwägung seine Arbeit verrichtet."

Einer, dessen Name gehandelt wird, ist der Terrorismusexperte Peter Neumann. Er hat kürzlich bereits ein Papier präsentiert, in dem er skizziert, wie ein deutscher Nationaler Sicherheitsrat aussehen könnte.

Terrorismusexperte Peter Neumann gilt als möglicher Kandidat für das Amt des Sicherheitsberaters.

Ein Rat allein reicht nicht

Wenn das Gremium mehr sein soll als nur ein weiteres Gesprächsformat, muss aus Sicht der Experten eine Anbindung des geplanten Nationalen Lagezentrums her und ein Unterbau. Denn es braucht Leute, die die Sitzungen des Rates vorbereiten, Informationen sammeln und aufbereiten.

Personal, das aus Sicht der Politologin Sarah Brockmeier-Large aus den Ministerien kommen sollte. Zum Beispiel aus dem Auswärtigen Amt und dem Verteidigungsministerium. "Das heißt, das Kanzleramt wird größer, nicht aber der gesamte Apparat der Außen- und Sicherheitspolitik. Er wird nur anders sortiert."

Auf wie viel Gegenliebe eine solche Entscheidung das bei den Ministerien stoßen würde, ist offen - wie so vieles anderes mit Blick auf den Nationalen Sicherheitsrat und seine künftige Rolle.

Mehr Kapazitäten

Für die Fachleute ist klar: ob der Rat zu einem effektiven Instrument der Politik wird, zu einem Ort, an dem Strategien entwickelt werden, um auch mal vor die Krise zu kommen, hängt maßgeblich vom politischen Willen ab: von der Frage, ob man Kapazitäten freiräumt, um zügig grundlegende Strukturveränderungen anzugehen. Ein Stabsstellenleiter im Kanzleramt allein, der zeitgleich auch noch Büroleiter des Kanzlers ist, reicht da nicht aus.

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