Was sich seit der Flut getan hat
Vor einem Jahr wurden weite Teile Bayerns geflutet. Es gab Tote, viele Menschen verloren Zuhause und Existenz. Wie geht es den Menschen jetzt - und wie steht es um den Hochwasserschutz?
Mit schwarzer Farbe ist im Treppenhaus im Pflegeheim St. Georg im oberbayerischen Schrobenhausen noch immer der Wasserstand markiert. Das soll auch so bleiben: als Erinnerung. Das Wasser hat die Fahrstühle, Heizung, Elektronik, Kühl-und Waschräume im Keller zerstört. Der Schaden belief sich auf über zwei Millionen Euro. Die Bewohner waren über drei Monate in einem anderen Heim untergebracht. "Das Allermeiste funktioniert jetzt wieder", meint Heimleiterin Katrin Antoncic.
Ein schweres Jahr
Das vergangene Jahr war schwer - für die Heimbewohner und für das Personal. In der Nacht, als das Wasser immer höher stieg, mussten die alten und pflegebedürftigen Menschen schnell das Heim verlassen. Dichtgedrängt auf einem Unimog haben die Einsatzkräfte sie in Sicherheit gebracht. "Diese Evakuierung, das hat mich an 1945 erinnert. Ich habe Flucht und Bombenangriffe miterlebt. So ähnlich war das", erzählt der 92-jährige Hans-Joachim Pittius.
Monatelang pendelt das Personal weite Wege, um die Bewohner zu versorgen, die in einem anderen Heim untergebracht worden waren. "Aber keiner ist abgesprungen", erzählt Katrin Antoncic.
Wertingen 365 Tage später: Nichts passiert
Schlimme Erinnerungen hat auch Josefine Groß aus dem schwäbischen Wertingen. Nur zehn Minuten Zeit hatte sie, um ein paar Sachen zusammenzupacken, sich den Hund unter den Arm zu klemmen. Dann stieg die 67-Jährige zusammen mit ihrem Mann in ein Boot. Ihre gesamten Ersparnisse sind mittlerweile weg. Alles steckt in der Renovierung ihres Hauses.
Was ihr Angst macht: ein mögliches nächstes Hochwasser. Denn der Schaden wäre wohl ähnlich schlimm. Das bestätigt der Wertinger Bürgermeister Willy Lehmeier (FW): "Es ist schwierig, bitter und frustrierend für alle Beteiligten - aber, und das ist das Schlimme, nach 365 Tagen ist nichts passiert".
Und das, obwohl seit 2017 eine Machbarkeitsstudie vorliegt, wie die Stadt besser geschützt werden könnte. Wegen Personalmangels wurde allerdings noch nichts umgesetzt, bestätigt das Donauwörther Wasserwirtschaftsamt. Man sei jetzt im vordringlichen Bedarf, heißt es aus dem Umweltministerium, man arbeite an den Planungen, so das Wasserwirtschaftsamt. Dennoch: Es wird dauern.
Bürgermeister Lehmeier fordert mehr Befugnisse für die Städte und Kommunen: "Wir wissen, was zu tun ist." Maßnahmen umsetzten darf aber nur das Wasserwirtschaftsamt. Das will die Staatsregierung nun ändern.
In Babenhausen im Landkreis Unterallgäu ist man einen Schritt weiter: In der Region werden mehrere große Hochwasserrückhaltebecken gebaut.
Rückhaltebecken im Bau
Südlich von Babenhausen steht der Bau des dritten von insgesamt fünf geplanten Hochwasserrückhaltebecken im Günztal kurz vor dem Abschluss. Solche Becken sollen vor einem Hochwasser schützen, wie es statistisch alle 100 Jahre auftritt. Doch im vergangenen Jahr wurde Babenhausen von der eineinhalbfachen Menge Wasser eines hundertjährlichen Hochwassers geflutet. Über 500 Gebäude in Babenhausen hat das Wasser zerstört.
Beim Wasserwirtschaftsamt Kempten rechnet man damit, dass weitere extreme Hochwasserereignisse kommen werden.
"Doch es ist sehr schwierig, einen noch größeren Hochwasserschutz zu realisieren", sagt Stefanie Kienle vom Wasserwirtschaftsamt. Grund seien fehlende Flächen und die Kosten. Rund 15 Millionen Euro kostet jedes der fünf Rückhaltebecken. Aber auch die Schäden, die das Hochwasser angerichtet hat, sind hoch.
Hohe Schäden durch das Hochwasser
Die Bayerische Staatsregierung geht von einem Gesamtschaden von über 4,1 Milliarden Euro in Süddeutschland aus. Davon sind laut Auskunft der Versicherungswirtschaft nur etwa zwei Milliarden Euro versichert gewesen. Fast 1,8 Milliarden Euro der nicht versicherten Schäden entfallen dabei auf den Freistaat, so das Bayerische Finanzministerium.
"Bayern hat vom Bund für die Hochwasserschäden im letzten Jahr bislang noch kein Geld erhalten", kritisiert Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU). Die Staatsregierung setze sich deshalb weiterhin dafür ein, dass Bundesländer in derartigen Ausnahmesituationen Solidarität erfahren und der Bund sich beteilige.
Hochwasserschutz: Mehr Kompetenzen für Kommunen?
Dennoch: Bayern muss den Hochwasserschutz ausbauen. Laut Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) hat man die Gelder für den Hochwasserschutz aufgestockt. Zu den geplanten 280 Millionen Euro seien nochmal 40 Millionen Euro dazu gekommen.
Außerdem sollen die Kommunen mehr Kompetenzen bekommen, so Glauber. Ein entsprechender Entwurf soll im Landtag noch vor der Sommerpause eingebracht werden. Geplant ist, dass die Gemeinden Projekte vorziehen können, die beim Freistaat erst in einigen Jahren auf der Liste stehen. Denn der Freistaat baut dort zuerst, wo statistisch das größte Risiko besteht.
Die Gemeinden sollen nach diesem Entwurf eigenständig am Hochwasserschutz arbeiten können. Geld dafür bekommen sie aber erst dann, wenn ihr Projekt bayernweit auf der Liste steht. Heißt: Es kann sein, dass die Gemeinden viele Jahre finanziell in Vorleistung gehen müssen.
Arbeitsgemeinschaft entlang der Paar
In den oberbayerischen Landkreisen Pfaffenhofen und Neuburg-Schrobenhausen haben sich unterdessen die Gemeinden entlang der Flüsse Paar, Ilm und dem Gerolsbach im vergangenen Sommer zusammengeschlossen, um beim Hochwasserschutz aktiv zu werden. Geplant sind verschiedene Maßnahmen wie beispielsweise die Ausweisung kleinerer Flächen, die geflutet werden können.
Die Gemeinden gehen davon aus, dass sich solche kleinen Maßnahmen schneller umsetzen lassen als beispielsweise große Polder. Außerdem sollen entlang der Paar weitere Messstationen für den Pegelstand angebracht werden, um schneller reagieren zu können. Die Kosten für die verschiedenen Maßnahmen tragen die Gemeinden gemeinsam.
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