• Auf sogenannten Völkerschauen wurden im 19. Jahrhundert Kulturen vorgeführt, so kamen auch Inuit auf Schloss Moritzburg.
  • Dort beschäftigt sich jetzt bis zum 2. November die Ausstellung "Dünnes Eis" mit diesem Ereignis.
  • Sie gibt Einblick in die berührenden Schicksale der umherreisenden Inuit und zeigt originale Artefakte, Zeichnungen und Briefe.

Was hat die beiden Inuit aus Labrador in Kanada wohl bewogen, sich auf diese Reise zu begeben? War es Armut, Aussichtslosigkeit oder einfach Abenteuerlust? Unter den Namen George Niakongêtok (gestorben am 18. November 1825) und Mary Coonahnik (gestorben im September 1822) verließen die beiden um 1820 ihre Heimat, angeheuert vom US-amerikanischen Kapitän Samuel Hadlock als lebendige Ausstellungsstücke und Botschafter ihrer Kultur auf den damals beliebten Völkerschauen.

Die Skulptur des Kajaks und der Tiere ist eines der größten Ausstellungsstücke in der Ausstellung "Dünnes Eis – Inuit zur Schau gestellt" auf Schloss Moritzburg bei Meißen.Bildrechte: Schlösserland Sachsen/Ahoi-Adventures-AlexGE_Photography

Inuit führen Speerwurf in königlichen Gemächern vor

Von New York aus tingelte Hadlock von einem Jahrmarkt zum nächsten. Im März 1825 langte das Trio im sächsischen Moritzburg an. Die Ausstellung "Dünnes Eis – Inuit zur Schau gestellt" erzählt von diesem ungewöhnlichen Tag. "Es wurde ein christliches Lied gesungen in Inuktitut, ein Wägelchen fuhr durch den Saal mit dem Schlittenhund davorgespannt", erzählt die Museologin des Barockschlosses, Margitta Hensel.

Porträtzeichnungen, die der Bildhauer Schadow für sein Buch von den Inuit George und Mary aus Labrador anfertigte.Bildrechte: Schlösserland Sachsen/Ahoi-Adventures-AlexGE_Photography

Auch Speerwerfen habe es in den königlichen Gemächern gegeben. "Auf mehrere Münzen, die in einer gewissen Entfernung lagen, musste er mit dem Speer treffen." Als Höhepunkt der Schau, erzählt Hensel, vollführte George mit einem Kajak auf dem Schlossteich die Kenterrolle. Ein Kupferstich, der damals von diesem Ereignis angefertigt wurde, ist in der Ausstellung zu sehen.

Originale nach 200 Jahren wieder im sächsischen Moritzburg

Auch viele der damals gezeigten Artefakte sind als Leihgaben aus verschiedenen Sammlungen, wie dem Völkerkundemuseum in Herrnhut und dem Humboldt Forum Berlin, nach Moritzburg gekommen.

Inuit George vollführte vor den Augen des sächsischen Königs eine Enterrolle auf dem Moritzburger Schlossteich. Die Zeichnungen stammen von George Niakongêtok und zeigen Szenen aus seiner nordamerikanischen Heimat Labrador.Bildrechte: Eva Gaeding/MDR

Berührend sind die Zeichnungen, die George Niakongetok vom traditionellen Leben seines Volkes anfertigte. Sie sind in einem Raum den Zeichnungen des klassizistischen Bildhauers Johann Gottfried Schadow gegenübergestellt, die dieser für sein Buch "National-Physiognomien oder Beobachtungen über den Unterschied der Gesichtszüge und äußeren Gestalt des Körpers" von George und Mary anfertigte.

Ausstellung stellt verschiedene Perspektiven gegenüber

Im Obergeschoss geht die Schau auf die verschiedenen kulturellen Welten ein, die den Hintergrund der Ausstellungstournee bilden. Hier werde die traditionelle Welt der Inuit gezeigt, so der Inuit-Experte und Kurator der Ausstellung, Christian Feest. Und außerdem die Welt der Herrnhuter Missionen auf der nordamerikanischen Labrador-Halbinsel.

Die Ausstellung zeigt Originalartefakte der sogenannten "Völkerschau" vor 200 Jahren.Bildrechte: IMAGO/Sylvio Dittrich

Sie versuchten, "diese Inuit-Kultur auf der einen Seite möglichst intakt zu halten, und auf der anderen Seite die Leute zu Christen zu machen und in eine ideale christliche Gemeinschaft umzuwandeln". Und dann gebe es noch die Welt des Geschäfts, des Handels, die nicht nur von den englischen Händlern repräsentiert werde, sondern von den amerikanischen Kapitänen – Kapitänen wie Samuel Hadlock, der aus dem Ausstellen "seiner" Inuit Kapital schlug.

Berührende Geschichte mit tragischem Ende der Inuit

Die Herrnhuter Brüdergemeine unterhielt in Kanada eine Mission, in der auch George Niakongetok in christlicher Religion sowie im Lesen und Schreiben unterrichtet wurde. In Briefen, die er an den Missionar Bruder Kohlmeister schrieb, und die in der Ausstellung in Ausschnitten nachzulesen sind, rechtfertigt der Inuk seinen Weggang damit, dass er Waise sei und keinen Versorger in Labrador habe.

Der US-amerikanische Unternehmer und Kapitän Samuel Hadlock (1792–1830) brachte die Inuit nach Moritzburg.Bildrechte: Schlösserland Sachsen/Ahoi-Adventures-AlexGE_Photography

Mit dem Titel "Dünnes Eis" möchte man in Moritzburg auch auf das tragische Ende der Beteiligten eingehen. Mary war schon während des Aufenthaltes in England gestorben. In Moritzburg wurde sie durch eine englische Schaustellerin ersetzt. George starb ebenfalls sehr jung. Und der 1792 geborene Samuel Hadlock kam um 1830 bei einer Handelsreise in Grönland ums Leben. Die Ausstellung zeigt das drastische Schicksal der Menschen ohne Beschönigung, verzichtet aber absichtlich auf eine Bewertung der Geschehnisse.

Schloss Moritzburg will nicht belehren

"Das muss jeder selbst feststellen, was es mit ihm macht, wenn er so eine berührende Geschichte liest", erklärt Margitta Hensel dazu. "Wir müssen hier nicht den Zeigefinger heben, sondern erst mal gucken: Was ist passiert, in welcher Zeit und warum ist es passiert?"

Die Fakten erzählen genug vom damaligen Blick der westlichen Welt auf die Ureinwohner. Nachdem George Niakongetok gestorben war, präparierte der Unternehmer Samuel Hadlock dessen Kopf und stellte ihn weiter aus. Erst die französische Polizei unterband im Herbst 1825 dieses makabere Treiben.

Die Ausstellung "Dünnes Eis" ist bis zum 2. November 2025 auf Schloss Moritzburg zu sehen.Bildrechte: Schlösserland Sachsen/Ahoi-Adventures-AlexGE_Photography

Wie es den Inuit auf Labrador heute geht, davon erzählt der letzte Teil der Ausstellung. "Praktisch ein Blick über den Teich", sagt Hensel und meint den Atlantik, während vor dem Fenster der Moritzburger Schlossteich glitzert, auf dem George Niakongetok vor 200 Jahren dem Sächsischen König die Kenterrolle vorführte.

Mehr Informationen zur Ausstellung:

"Dünnes Eis – Inuit zur Schau gestellt"
21. Juni bis 2. November 2025

Adresse:
Schloss Moritzburg
Schloßallee 1, 01468 Moritzburg

Öffnungszeiten:
Montag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr

Eintritt:
Erwachsene 12 Euro
Ermäßigt: 10 Euro

redaktionelle Bearbeitung: sg

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