Die SPD setzt ihren Parteitag fort - mit einem abgestraften Chef: Lars Klingbeil erhielt ein fast historisch schlechtes Ergebnis. Das zeigt die Wunden der Partei. Co-Chefin Bas will sie heilen.

Die Enttäuschung war Lars Klingbeil anzusehen. Nur 64,9 Prozent der Stimmen. Mit einem so schlechten Ergebnis hatte er nicht gerechnet. "Ihr könnt Euch vorstellen, das Ergebnis ist für mich ein schweres Ergebnis. Ich sag' hier mal, ich hätte mir mehr gewünscht", sagte Klingbeil.

"Vor allem Wunden lecken", Dominic Hebestreit, ARD Berlin, zur Fortsetzung des SPD-Parteitags

tagesschau, 28.06.2025 09:50 Uhr

Der spannendste Ort für wichtige Debatten unserer Zeit - so beschrieb Lars Klingbeil in seiner Bewerbungsrede den SPD-Parteitag. Das Wort "Veränderung" stand an der Wand und sollte zeigen, dass die SPD die Partei ist, die verändert. Doch nach dem ersten Parteitag merkt man vor allem eines: die Unzufriedenheit und die Wunden der Parteibasis.

Zwar blieben große hitzige Debatten am ersten Tag erstmal aus. Aber man merkte spätestens beim schlechten Wahlergebnis: Die Partei hat das historisch schlechte Abschneiden bei der Bundestagswahl noch nicht verdaut. Dieses Wahlergebnis klebt an Lars Klingbeil und das wird er auch so schnell nicht mehr los. Auch dass er als Parteivorsitzender, Finanzminister und Vizekanzler seine Macht verdreifacht hat, haben ihm offenbar so einige im Saal nicht verziehen.

Wie die SPD nach vorne schauen will

Hoffnungsträgerin der Partei soll nun Bärbel Bas sein. Sie wurde von den Delegierten mit 95 Prozent der Stimmen gewählt und bekommt damit jede Menge Rückenwind. Sie selbst bezeichnete sich als Gegenmodell von Klingbeil. Bas, die sich mit einem Hauptschulabschluss auf dem zweiten Bildungsweg hochgearbeitet hat, will laut eigenen Worten kein Blatt vor den Mund nehmen. Nicht nur Menschen mit Hochschulabschluss dürften die SPD-Politik verstehen - ein Seitenhieb, wie sehr die SPD so manchen aus den Augen verloren hat.

Auf ihr lastet jetzt der Druck, dass die Sozialdemokraten wieder Vertrauen gewinnen. "Das sind noch viele Wunden, die müssen wir aufarbeiten", so Bas in den tagesthemen. Sie will sich in der männlichen Koalition durchsetzen und erntete viel Applaus im Saal des Parteitags, als sie die Probleme von Frauen in der Politik erwähnte. Man sei als Frau in der Politik auch noch "diesem sexistischen Müll ausgesetzt", sagte sie. "Wir Frauen sind die Hälfte der Gesellschaft. Wir fordern sie ein, und das ist einfach so."

"Haben noch Wunden zu verarbeiten", Bärbel Bas, Parteivorsitzende SPD, über die Herausforderungen für ihre Partei

tagesthemen, 27.06.2025 21:45 Uhr

Die SPD will sie gemeinsam mit Klingbeil wieder zu einer Kümmerer-Partei machen. Zu einer echten Volkspartei. Dazu braucht es aus Sicht von Hubertus Heil vor allem eines: neue Impulse. Und zwar von außen. Die Partei, sagte er schonungslos, sei langweilig. Sie brauche neue Ideen, neue Köpfe wie Tim Klüssendorf, der später mit mehr als 90 Prozent zum Generalsekretär gewählt wurde.

Klüssendorf muss jetzt beweisen, dass er die Partei verändert, das schlechte Wahlergebnis wirklich aufarbeitet. Das heißt aber auch: mehr Debatte. Und wie es Hubertus Heil formuliert: mehr Streit um die Sache, wenn es um das neue Grundsatzprogramm geht, das 2027 fertig sein soll. "Volkspartei ist nicht alles nebeneinander leben zu lassen", sagt Heil. Es sei wichtig, zu diskutieren. "Es muss auch entschieden werden. Auch in der Außen- und Sicherheitspolitik. Auch wenn's weh tut."

Keine großen Debatten über das "Manifest"

Wirklich weh tut an diesem Tag aber auch die Debatte über die Rüstungs- und Russland-Politik nicht. Ralf Stegner, Mitverfasser des umstrittenen "Manifests", und Verteidigungsminister Boris Pistorius schlagen eher versöhnlichere Töne an.

Trotzdem wird deutlich, wie weit die Positionen auseinanderliegen, wenn es um die Frage nach dem künftigen Kurs der Partei geht, die sich als Friedenspartei versteht. Die Debatte wird weitergehen, auch auf dem Parteitag. Die Jusos wollen die Wehrpflicht noch auf die Tagesordnung bringen. Der Samstagmorgen steht aber zunächst einmal im Zeichen des Abschieds. Olaf Scholz und Saskia Esken sollen gewürdigt werden - für ihre Arbeit, für die sie in den vergangenen Jahren oft viel Kritik einstecken mussten.

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