Wie Dorf-Apps das Landleben verändern
- Dorf-Apps digitalisieren lokale Kommunikation und ermöglichen es Bürgern, Verwaltungen und Vereinen, Informationen leichter zu teilen.
- Vorteile gegenüber Whatsapp, Instagram und Co. sind der lokale Fokus, Werbefreiheit und Datenschutz.
- Der Erfolg hängt von einem klaren Plan der Gemeinde und dem anfänglichen Engagement einzelner Nutzer ab.
Die Einladung zum nächsten Fest hängt in vielen Dörfern wie eh und je am Brett neben der Bushaltestelle. Manche Orte gehen inzwischen jedoch modernere Wege. Dort blinkt die Ankündigung direkt auf dem Handy auf. So genannte Dorf-Apps machen das möglich – und noch vieles mehr: "Ich würde es beschreiben als handliche Homepage unseres kleines Ortes", erklärt Alina Krause, Ortsvorsteherin von Dörnthal, einem Teil von Olbernhau im Erzgebirge.
Der kleine Ort mit 575 Einwohnerinnen und Einwohnern nutzt die App "Dorfleben", die eine Firma aus Thüringen anbietet. Die App versteht sich als Informationsplattform für alle Institutionen eines Ortes, also von der Feuerwehr über die Grundschule bis zum Kulturverein. Für die verschiedenen Vereine, Gruppen oder anderen Zusammenschlüsse können jeweils Verantwortliche bestimmt werden, die eigenständig Nachrichten oder etwa Veranstaltungshinweise einspeisen.
Zusammen statt allein

Alina Krause stellt in Dörnthal einen großen Teil der Beiträge ein. Sie ist nicht nur Ortsvorsteherin, sondern auch bei der Feuerwehr und im Kirchenvorstand aktiv. Den Vorteil zu einer herkömmlichen Website sieht sie in der unkomplizierten Zusammenarbeit. "Ich kann als Administrator den einzelnen Vereinen den Zugriff geben auf die Vereinsseite und da kann jeder selber schauen, dass die Informationen aktuell sind. Das heißt also, wir als Gemeinschaft arbeiten gemeinsam an den Seiten und nicht einer alleine hat die ganze Arbeit." Hinzu kommt, dass eine herkömmliche Website höheren Aufwand und Ausgaben bedeute. Dorfleben ist in der Basis-Version kostenfrei.
Alexander Frank hat Dorfleben mit seiner Firma entwickelt. Er sieht die App als Ergänzung zu anderen Kanälen. "Dorfleben ist eine Mischung aus Webseite, digitalem Schwarzen Brett und perspektivisch noch die Möglichkeit, dass eine Stadtverwaltung oder eine Kommunalverwaltung amtliche Informationen in ihre Ortsteile einspielen lassen kann", erklärte Frank im April im Gespräch mit MDR THÜRINGEN. Gruppen bei Facebook oder Whatsapp könnten daneben weiter genutzt werden.
Abgrenzung von Facebook und Co.
Andere Angebote bieten teils noch wesentlich mehr Funktionen. In der App Dorffunk können die Bewohnerinnen und Bewohner eines Orts etwa auch eigene Beiträge veröffentlichen, Gesuche oder Angebote posten, andere Beiträge kommentieren oder sich direkt an die Gemeinde wenden. Übertragen auf die große Online-Welt ein Whatsapp, Facebook, Instagram und Ebay-Kleinanzeigen in einem. Dominik Magin, der die App in den vergangenen Jahren mitentwickelt hat, spricht von einer "digitalen Kommunikationszentrale in der Nachbarschaft".
Magin ist Geschäftsfeldmanager beim Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering in Kaiserslautern, wo die Anwendung seit 2015 mit öffentlichen Fördermitteln entstand. Den Unterschied zu den großen US-Plattformen sieht der Informatiker im klaren Fokus: "Anders als jetzt beispielsweise bei Facebook oder Instagram bin ich im Dorffunk auf einer sehr lokalen Ebene unterwegs. Das heißt, wenn ich mich registriere, wähle ich explizit meine Heimatgemeinde aus. Ich kann noch einen Umkreis festlegen, der bis zu 30 Kilometer um den eigenen Ort betragen kann, und bekomme dann Neuigkeiten und Nachrichten von Mitbürgern nur von dort angezeigt."
Dorffunk, Dorfleben und ähnliche Angebote punkten noch mit weiteren Vorteilen. Sie sind bislang weitgehend werbefrei und erfüllen die europäische Datenschutzgrundverordnung. Zudem ist weniger technisches Vorwissen nötig, da die Handhabung leichter ist als bei den großen US-Netzwerken, die viele Funktionen und Einstellungsmöglichkeiten haben.
Engagement gerade zu Beginn gefragt
Trotz der Funktionen und Vorteile setzen sich die Dorf-Apps momentan nur langsam durch. Zwar haben zahlreiche Gemeinden bei Anbietern wie Dorffunk und Dorfleben schon Seiten angelegt, doch die Profile sind oftmals verwaist oder erhalten lediglich Einträge durch die kommunale Verwaltung.
Der Erfolg von solchen Lösungen steht und fällt mit den Menschen vor Ort.
Frauenhofer-Experte Magin sieht ein Henne-Ei-Problem: "Eine digitale Lösung wie der Dorffunk, die ist für die Bürgerinnen und Bürger nur attraktiv, wenn Inhalte drin sind." Wenn eine Gemeinde damit starte, seien aber noch kaum Beiträge vorhanden, schon gar nicht von den Bewohnern selbst. Deshalb müsse die Verwaltung zunächst selbst Inhalte veröffentlichen oder sie angeregen. "Man muss die Vereine abholen, das Ehrenamt, Kindergarten, Schule, Feuerwehr, das die dort Inhalte einstellen." Nur dann könne eine App ein Medium sein, um Menschen auf digitalem Weg zusammenzubringen: "Der Erfolg von solchen Lösungen steht und fällt mit den Menschen vor Ort", fasst Magin zusammen.
Alina Krause aus Dörnthal ist so ein engagierter Mensch. Sie sieht in Dorf-Apps durchaus Instrumente, um die Gemeinschaft vor Ort zu stärken. Ein konkretes Beispiel dafür sei jüngst eine digitale Anzeige gewesen, in der sie Unterstützung bei der Pflege des Dorfplatzes suchte. Daraufhin habe sich der Jugendclub gemeldet. "Und da haben wir jetzt eine Frau aus dem Ort, die im Prinzip dort den Hut auf hat, die signalisiert dann den Jugendlichen, wenn Menschen gebraucht werden, die dort mithelfen. Unkraut jäten, neue Pflanzen stecken oder was auch immer zu tun ist – und dann kommt der Jugendclub und hilft dort."
Digitale Treffpunkte in schrumpfenden Gemeinden
Großes Potenzial wird den Apps auch von der Wissenschaft zugesprochen. In der Studie "Zwischen Aufbruch und Rückkehr" des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, in der es um jungen Menschen in ländlichen Räumen geht, wurden Apps gar als Mittel gegen Abwanderung gehandelt. Über die Anwendungen ließen sich "digitale Treffpunkte schaffen", schrieben die Forscherinnen und Forscher. "Das holt die jungen Menschen in ihrer digitalen Lebensrealität ab und bietet Alternativen zu physischen Orten, wenn diese nicht existieren oder aufgrund mangelnder Anbindungen nicht erreichbar sind."
In Dörnthal stehen bereits ein paar reale Termine im Dorfapp-Kalender. Am 7. September findet ein Familiengottesdienst mit anschließendem Brunch statt, am 20. September lädt der Kulturverein zu einem "Herbst-Liederabend auf dem Mühlenboden".
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