Wie grün ist Schwarz-Rot?
An Versprechen zum Klimaschutz mangelt es nicht, aber die Umsetzung ist unklar. Differenzen zwischen dem CDU-Wirtschaftsministerium und dem SPD-Umweltministerium zeichnen sich bereits ab.
Beim Klimaschutz ergibt sich ein gemischtes Bild, was die neue Bundesregierung aus Union und SPD angeht. Die Dringlichkeit scheint zwar angekommen zu sein: "Im 21. Jahrhundert kann man keine seriöse Politik mehr machen ohne Klimaschutz", sagte die neue SPD-Vorsitzende Bärbel Bas in ihrer Antrittsrede beim Parteitag. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vergaß in seinen bisherigen Regierungserklärungen nicht, den Klimaschutz zumindest kurz zu erwähnen. SPD-Finanzminister Lars Klingbeil versprach jüngst im Bundestag Rekordinvestitionen in die Deutsche Bahn im aktuellen Bundeshaushalt.
"Das, was wir heute nicht in den Klimaschutz investieren, das zahlen wir morgen doppelt. Und deswegen ist es richtig, dass wir jetzt so viel Geld für den Klimaschutz in die Hand nehmen", betonte Klingbeil. Im bis zu 500 Milliarden Euro schweren neuen Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität sind über die nächsten Jahre 100 Milliarden Euro dem Klimaschutz zugewidmet.
Hohe Ausgaben für Klimaschutz geplant
So erhält der Klima- und Transformationsfonds (KTF) jährlich ab diesem Jahr 10 Milliarden Euro mehr aus dem schuldenfinanzierten Sondervermögen. Er fördert unter anderem erneuerbare Energien im Gebäudesektor, die Transformation der Industrie oder klimafreundliche Mobilität.
Die Grünen kritisieren, dass neuerdings die Gasspeicherumlage aus dem KTF finanziert werden soll und nennen dies "Zweckentfremdung". Damit entfällt die Umlage für Verbraucher, doch der schuldenfinanzierte Fonds muss jetzt auch zu dieser Vergünstigung fossiler Energie herhalten.
Es gilt viel aufzuholen beim Klimaschutz, auch für dieses schwarz-rote Bündnis - das weiß man im SPD-geführten Umweltministerium: "Das ist eine riesengroße Gemeinschaftsaufgabe", sagte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth im ARD-Morgenmagazin, dazu brauche es mehr Anstrengungen.
"Wir werden Gesamtprogramm verabschieden", Jochen Flasbarth, SPD, Staatssekretär Umweltministerium, zur Klimapolitik der Regierung
Morgenmagazin, 01.07.2025 05:30 UhrGerade erst hat der unabhängige Expertenrat für Klimafragen gemahnt, dass ab 2030 klimaschädliche Emissionen in großem Umfang aus dem Ruder laufen werden: "Für die Jahre nach 2030 zeigen die Projektionsdaten eine deutliche und im Zeitverlauf zunehmende Zielverfehlung", heißt es in ihrem Bericht.
Mahnende Worte vom Expertenrat Klimafragen
Das Gremium sprach mahnende Worte an die Regierung Merz aus: "Vom Koalitionsvertrag geht kein nennenswerter Impuls für die Zielerreichung im Jahr 2030 aus", stellt die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Knopf fest. "Zudem adressiert der Koalitionsvertrag die maßgeblichen Problemfelder nicht explizit und bleibt an vielen Stellen vage." Man empfehle daher, das anstehende Klimaschutzprogramm neben der Sicherstellung der Zielerreichung für das Jahr 2030 "auch explizit auf die identifizierten Handlungsfelder und die langfristige Erreichbarkeit der Klimaneutralität auszurichten."
Von der Ausgestaltung des Klimaschutzprogrammes, das Umweltminister Carsten Schneider (SPD) ressortübergreifend federführend erarbeiten und im Herbst vorlegen will, werde vieles abhängen, sagt Klimawissenschaftlerin Knopf im Gespräch mit tagesschau.de. Im Verkehrs- und Gebäudesektor hinke Deutschland hinterher.
Knopf, die dem Think Tank "Zukunft KlimaSozial" vorsteht, nimmt eine unterschiedliche Positionierung zum Klimaschutz innerhalb der schwarz-roten Koalition wahr. Umweltminister Schneider gehe bereits bei einigen Themen in Widerspruch zu Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Die relevante Frage sei, ob es einen wirklichen Einstig in den Ausstieg aus der Gasnutzung gebe oder eine langgezogene Brücke, urteilt Knopf. Wichtig sei auch die Verknüpfung von Klimaschutzpolitik mit sozialem Ausgleich für einkommensschwache Gruppen, wie etwa Sozial-Leasing für Elektro-Autos.
Klimasozialplan verspätet sich
Säumig ist die Bundesregierung gegenüber Brüssel beim Klimasozialplan - der konkreten Umsetzung des EU-Klimasozialfonds. Den hätte sie bis Ende Juni vorlegen müssen. Das Umweltministerium sagt dazu, es brauche noch mehr Zeit, auch "um sich mit Umwelt-, Sozial- und Verbraucherschutzverbänden abzustimmen". Ein konkretes "Klimageld" sieht der Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot nicht vor, spricht aber von sozialem Ausgleich für Klimaschutzmaßnahmen, auch beim KTF.
Es zeichnen sich bereits Ressortkonflikte zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium ab. Gleich in ihrer ersten Woche als neue Wirtschaftsministerin modifizierte Reiche ein Ziel des Koalitionsvertrages gerade beim Bau neuer Gaskraftwerke. Im gemeinsamen Vertrag heißt es deutlich, man wolle den Bau "von bis zu 20 Gigawatt (GW) an Gaskraftwerksleistung bis 2030 wollen wir im Rahmen einer zügig zu überarbeitenden Kraftwerksstrategie technologieoffen anreizen".
Zankapfel "Energiewende"?
Im Gegensatz zur SPD definierte Reiche das für sich als mögliches Minimum um. Es sei wichtig, "dass wir ganz schnell in die Ausschreibung von mindestens 20 Gigawatt Gaskraftwerken gehen, um die Versorgungssicherheit in unserem Land hochzuhalten". Um dies auch hinsichtlich der Kosten realisieren zu können, brauche es "langfristige Gaslieferverträge" und einen Realitätscheck der Energiewende.
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch hatte bereits zu Regierungsbeginn wiederum den Koalitionspartner Union vor einem Kurswechsel gewarnt: "Die Energiewende muss bleiben", betonte Miersch, gerade der Ausbau der Erneuerbaren dürfe nicht in irgendeiner Form behindert, die Abkehr von Öl, Gas und Atomenergie nicht infrage gestellt werden."
Der Bundesverband für Erneuerbare Energien (BEE) reagierte auf Reiches Vorstoß mit scharfen Widerworten: "Statt von Anfang an ein auf Erneuerbare Energien ausgelegtes System zu schaffen, drohen neue Überkapazitäten an fossilen Gaskraftwerken und ein fossiler Lock-in mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten." Angesichts steigender CO2-Preise hätten rein fossile Gaskraftwerke nur eine kurze Phase der Rentabilität, bevor sie zu wertlosen Investitionen würden", kritisierte die BEE-Präsidentin und frühere Grünen-Co-Chefin Simone Peter.
Die Bundesregierung plant die neuen Gaskraftwerke in größerem Umfang, ohne dass bisher klar ist, ob sie auf spätere Wasserstoffproduktion umrüstbar sein werden. So hatte es ein Gesetzesentwurf der vorigen Koalition aus SPD, Grünen und FDP zur Kraftwerksstrategie vorgesehen, der aber durch das vorzeitige Scheitern der Ampelkoalition nicht mehr zum Zuge kam.
Für Claudia Kemfert, Energieökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), stellt sich die Frage nach der "Ernsthaftigkeit der Koalition beim Klimaschutz". Gas werde weiter als Brückentechnologie behandelt, obwohl das rettende Ufer längst erreicht sei. "Der Ausbau Erneuerbarer Energien sollte prioritär sein", sagt Kemfert im Gespräch mit tagesschau.de. Die Märkte würden das bereits vormachen.
Wirtschaftsministerin Reiche sorgte kürzlich beim Tag der Industrie mit einer Aussage zu Klimaziele für Verwirrung. Sie wies darauf hin, dass das Erreichen der Klimaschutzziele bis 2045 absolut ambitioniert sei - eine Position, die der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) teilt. "Eine Harmonisierung mit internationalen Zielen täte gut", sagte Reiche und säte damit Zweifel, ob sie hinter dem Klimaziel wirklich steht. Im Nachhinein bekannte sie sich jedoch zu Deutschlands Ziel, bis 2045 klimaneutral zu sein, wie es im Koalitionsvertrag steht.
Reiche fällt mit eher kritischen Aussagen zum Ausbau Erneuerbarer Energien jedenfalls auf, anders als der Umweltminister: "Wir brauchen eine Art Monitoring und Sich-Ehrlich-Machen über den Stand der Energiewende", befindet Reiche. Dieses Monitoring hat sie in Auftrag gegeben. Sie strebt einen Kurswechsel bei der Energiewende an: "Die Kosten müssen insgesamt runter", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa.
Das Handelsblatt hat bereits einen "Machtkampf" der beiden Häuser identifiziert. Ob sich daraus ein harmonisches Miteinander mit ihrem Ministerkollegen für Umwelt und Klimaschutz ergibt - oder eher ein Dauerkonflikt, muss sich noch zeigen.
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