Frankreich will einen palästinensischen Staat anerkennen. Die Bundesregierung lehnt einen solchen Schritt derzeit ab - pocht aber langfristig auf die Zweistaatenlösung. Aktuell müsse der Fokus auf einer Waffenruhe im Gazastreifen liegen.

Deutschland wird vorerst keinen palästinensischen Staat anerkennen. Das werde "kurzfristig" nicht geschehen, hieß es von Stefan Kornelius, dem Sprecher der Bundesregierung. Gestern Abend hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angekündigt, dass er einen palästinensischen Staat anerkennen will.

Kornelius betonte, die Bundesregierung sehe in der Anerkennung eines solchen Staates "einen der abschließenden Schritte auf dem Weg zur Verwirklichung einer Zweistaatenlösung". Diese müsse mittels Verhandlungen erreicht werden, um dauerhaft Frieden und Sicherheit für Israelis und Palästinenser zu bringen.

Stattdessen liege der Fokus der schwarz-roten Koalition derzeit darauf, "überfällige Fortschritte zu den dringendsten Fragen zu erreichen", so Kornelius weiter. Dazu zähle eine Waffenruhe im Gazastreifen und dass die militant-islamistische Hamas alle Geiseln freilasse, die sich mutmaßlich noch in ihrer Gewalt befinden. Zudem müsse die Terrormiliz entwaffnet werden.

Bundesregierung bekräftigt Forderungen an Israel

Gleichzeitig sieht Kornelius Israel in der Pflicht, "die katastrophale humanitäre Lage in Gaza sofort und drastisch" zu verbessern. Die israelische Regierung müsse es ermöglichen, "der leidenden Zivilbevölkerung menschenwürdige, dringend notwendige Versorgung zukommen zu lassen". Für den Gazastreifen sei eine tragfähige politische Perspektive nötig, damit ein langfristiger Frieden gewährleistet werden könne.

Im Namen der Bundesregierung forderte Kornelius Israel zudem auf, "keine weiteren Schritte hin zu einer Annexion des Westjordanlandes" zu unternehmen. Vor zwei Tagen hatte das israelische Parlament einem Antrag zur Annexion des besetzten Westjordanlandes zugestimmt. Rechtliche Folgen hat der Antrag zwar nicht. Die Zustimmung könnte der israelischen Regierung jedoch helfen, Pläne zur Annexion der Palästinensergebiete voranzutreiben.

Sollten Fortschritte in Nahost ausbleiben, sei die Bundesregierung durchaus bereit, den Druck auf Israel zu erhöhen, betonte Kornelius. Durch welche Schritte das erfolgen könnte, ließ er jedoch offen.

Anerkennung wäre aus Sicht der Union rein symbolisch

Auch innerhalb der Unionsfraktion stößt die Anerkennung eines palästinensischen Staates auf Ablehnung. Dem Ziel zweier gleichberechtigter und demokratischer Staaten nebeneinander komme man so keinen Schritt näher, sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Eine Anerkennung wäre rein symbolisch und würde von Israel als Affront gewertet werden. Ähnlich wie Regierungssprecher Kornelius betonte auch Hardt, "die Anerkennung Palästinas als eigenständiger Staat sollte am Ende des Friedensprozesses im Nahen Osten stehen und auch die Klärung des Rechtsstatus' Jerusalems und Verfassungsfragen umfassen".

Die SPD-Fraktion hält eine Anerkennung eines Staates Palästina derzeit noch für verfrüht. Zudem würde sie "an der schrecklichen Situation in Gaza zunächst nichts ändern", sagte die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Siemtje Möller. In Gaza brauche es "ein Ende der Terrorherrschaft der Hamas, die nicht nur Israel bekämpft, sondern auch die eigene Bevölkerung drangsaliert und ihr Elend mutwillig in Kauf nimmt." Gleichwohl dürfe eine Anerkennung eines palästinensischen Staates "kein Tabu" sein.

Möller bekräftigte gleichzeitig die Forderung an Israel, den Siedlungsbau im Westjordanland und die Vertreibungspläne in Gaza unverzüglich zu stoppen. "Mit ihrer aktuellen Politik isoliert sich die israelische Regierung international immer weiter", mahnte Möller.

AfD: Anerkennung wäre "inhaltlich falsch"

Die AfD wertet Frankreichs Entscheidung für eine Anerkennung als "inhaltlich falsch, weil es den Palästinensischen Autonomiegebieten an der erforderlichen Staatsqualität mangelt", wie es der außenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Markus Frohnmaier, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP ausdrückte. Hinter dem Schritt von Macron sieht er eher innenpolitische Motive, da der französische Präsident auf diesem Wege versuche, die "Bevölkerungsgruppe" der "Migranten aus dem Nahen Osten und Afrika" im eigenen Land "zu beschwichtigen".

Das BSW hingegen befürwortet die Anerkennung eines palästinensischen Staates. Parteichefin Sahra Wagenknecht sprach auf dem Internetportal t-online von einer "bemerkenswerten Entscheidung" Macrons und forderte die Bundesregierung auf, diesem Beispiel zu folgen.

 

"Terror darf nicht belohnt werden"

Auch außerhalb der politischen Parteien stößt Frankreichs Entscheidung auf Kritik. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft warnte vor einem "politischen Irrweg mit gravierenden Folgen". "Eine Anerkennung zu diesem Zeitpunkt stärkt nicht die Kräfte des Friedens, sondern jene des Terrors", warnte der Präsident der Gesellschaft, Volker Beck. Denn diese komme einer "Belohnung" der Terrororganisation Hamas gleich. Auch in den Augen von Beck ist in Nahost noch ein langer Verhandlungsprozess nötig. Derzeit gebe es weder ein klar definiertes palästinensisches Staatsgebiet noch eine effektive Staatsgewalt oder eine allgemein anerkannte Staatsführung.

Ähnlich äußerte sich Joseph Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Auch er warnte, Terror dürfe nicht belohnt werden. Die Anerkennung eines palästinensischen Staates diene der Hamas als Propaganda und sei daher zum jetzigen Zeitpunkt "völlig fehlgeleitet".

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