Für kleine Klubs sind Spiele im DFB-Pokal immer etwas Besonderes. Aber die Feiertage bringen auch Probleme mit sich: Denn die Amateurvereine verfügen oft nicht über die Infrastruktur, um die Partien auf heimischem Platz auszurichten.

Der SV Hemelingen fehlten vier Meter für den Wunsch-Standort, der FV Engers sowie der RSV Eintracht 1949 verschwendeten erst gar nicht große Gedanken an ein Heimspiel im Ort und der SV Atlas Delmenhorst zog sogar freiwillig für die große Pokal-Sause um. Wenn die fünf Fünftligisten am kommenden Wochenende ihr Spiel des Jahres bestreiten, dann werden vier von ihnen kein echtes Heimspiel haben. Der Begeisterung vor der ersten Runde im DFB-Pokal tut das aber keinen Abbruch.

"Riesig! Einfach riesig! Unser Verein steht kopf und gefühlt steht unser ganzer Ort kopf", antwortet der Vorsitzende des FV Engers, Martin Hahn, auf die Frage, wie groß die Vorfreude sei. Der Klub aus dem Neuwieder Stadtteil Engers in Rheinland-Pfalz trifft am Sonntag (13 Uhr/alle Spiele im Liveticker bei ntv.de) auf den Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt. Die Hessen als Gegner - das sei ein "Traum", betont Hahn. "Besser hätte es nicht kommen können." Allerdings steigt die Pokal-Party nicht in Neuwied, sondern in Koblenz, das ein paar Kilometer entfernt ist.

Beim brandenburgischen Pokalsieger RSV Eintracht 1949 aus Stahnsdorf am Rande Berlins "kribbelt es überall", wie der Vereinsvorsitzende Michael Grunwaldt vor der Begegnung mit dem Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern am Sonntag (15.30 Uhr) im Potsdamer Karl-Liebknecht-Stadion verrät. Für die Stahnsdorfer ist es die DFB-Pokal-Premiere. "Das ist für uns nicht nur das Spiel des Jahres, sondern wahrscheinlich auch das Spiel des Jahrzehnts."

Bremen-Ligist muss aus dem Ausweichstadion ausweichen

Und auch beim niedersächsischen Oberligisten aus Delmenhorst ist die Euphorie laut Vorstandsmitglied Stefan Keller vor dem Duell mit Borussia Mönchengladbach am Sonntag (15.30 Uhr) groß, obwohl das Spiel in Oldenburg statt in Delmenhorst ausgetragen wird.

Am meisten Arbeit kam auf Bremen-Ligist SV Hemelingen zu, der bei seinem DFB-Pokal-Debüt gegen den VfL Wolfsburg am Samstag (15.30 Uhr) wegen eines Platzproblems ins Weserstadion umziehen muss. Der Klub kann nicht - wie ursprünglich geplant - ins niedersächsische Verden ausweichen, weil das Spielfeld dort vier Meter zu kurz ist.

Davon wurde der Verein um Sami Tuncel, Vorsitzender der Fußballabteilung beim SV Hemelingen, aus dem Nichts überrascht. Denn wenige Wochen zuvor gab es am selben Ort ein Aufstiegsspiel zur Regionalliga Nord. Die Organisation sei durch die Umzugsproblematik auch eine "doppelte und dreifache Mammutaufgabe" gewesen, sagt Tuncel.

Fünftligisten halten hohe Anforderungen für sinnvoll

Doch welche Kriterien muss ein Stadion für den DFB-Pokal überhaupt erfüllen? Bei der Antwort auf diese Frage verweist der Deutsche Fußball-Bund auf die Durchführungsbestimmungen für den DFB-Pokal, die aber nur für die teilnehmenden Klubs im Internet einsehbar sind. In der vergangenen Saison bestand das Dokument aus mehr als 90 Seiten.

"Ziel des DFB ist es, immer dem Wunsch der Heimvereine zu entsprechen", antwortet ein Sprecher auf Anfrage. Dass unterklassige Amateurklubs ihre Pokal-Heimspiele tatsächlich auch dort austragen, wo sie sonst spielen, kommt inzwischen aber nur noch selten vor.

Aus Sicht der betroffenen Fünftligisten sind die Anforderungen weitestgehend gerechtfertigt. "Manches wirkt vielleicht zunächst zu viel, aber wenn man sich intensiv damit beschäftigt, macht das allermeiste Sinn", erklärt Delmenhorsts Stefan Keller. Hemelingens Tuncel hätte es sich "ein bisschen simpler gewünscht" für Vereine wie seinen.

VfL Wolfsburg verzichtet auf Teil seiner Ticketeinnahmen

Fakt ist, dass die Fünftligisten finanziell von der Pokalteilnahme profitieren - trotz Kosten wie beim brandenburgischen RSV Eintracht, der für die Begegnung mit Lautern in die Landeshauptstadt Potsdam ausweicht. "Klar kriegen wir das Stadion nicht geschenkt. Unser Ziel ist es, mit den Einnahmen aus den Kartenverkäufen die kompletten Unkosten zu decken", sagt Vereinsboss Grunwaldt. Die Austragung des Heimspiels in Stahnsdorf war keine Option. "Wir haben ja nicht mal eine Tribüne."

Für die SV Hemelingen wiederum seien die normalen Konditionen des Weserstadions nicht leistbar gewesen, sagt Tuncel. Jedoch sei Wolfsburg dem Amateurklub entgegengekommen und habe auf einen Teil der Ticketeinnahmen verzichtet.

Lediglich der FK Pirmasens aus der Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar trägt das Pokalspiel als einziger Fünftligist an seiner echten Heimstätte aus. Für das Duell mit dem Bundesliga-Aufsteiger Hamburger SV am Samstag (13 Uhr) ist das Stadion auf der Husterhöhe seit Wochen mit 10.000 Zuschauern ausverkauft.

Nach Angaben des Vereinsvorsitzenden Jürgen Kölsch rechnet der Klub durch den Pokal mit Nettoeinnahmen in Höhe von etwa 100.000 Euro. Gleichzeitig sei die Organisation eine Riesenherausforderung und "extrem schwierig", erklärt Kölsch. Übrigens: Vor 19 Jahren gewannen die Pirmasenser in der ersten Pokalrunde - 4:2 im Elfmeterschießen gegen Werder Bremen. Im echten Heimspiel.

"Das hätte unseren Ort überfordert"

In Delmenhorst wäre theoretisch die Austragung des Pokalspiels möglich gewesen, doch der SV Atlas entschied sich dagegen. "Jeder von uns im Vorstand wollte in Delmenhorst spielen und die Stadt hätte auch eine größere Kapazität möglich gemacht. Da aber viel an Infrastruktur hergerichtet werden müsste und wir wirklich einen hohen Anspruch an uns selbst haben, wäre es dieses Mal nicht in Verantwortung für die ehrenamtlichen Helfer zu vertreten gewesen", erklärt Vorstandsmitglied Keller. 2023 trat der SV Atlas im Pokal gegen den FC St. Pauli im Stadion an der Düsternortstraße in Delmenhorst an. 4999 Zuschauerinnen und Zuschauer waren dabei - und es wären gerne noch mehr gekommen.

Der FV Engers spielte schon 2022 gegen Arminia Bielefeld in Koblenz. "Koblenz ist für uns ja praktisch um die Ecke. Man fährt eine Viertelstunde bis zum Stadion. In Engers selbst geht es schlicht nicht - weil wir auf Kunstrasen spielen, aber auch, weil wir ein Stadtteil von Neuwied mit 5000 Einwohnern sind. Das hätte unseren Ort überfordert", erklärt Vereinschef Hahn.

Dass der "Heimvorteil" durch den Umzug mitunter flöten gehen könnte, kommt nicht überall gut an. "Am liebsten wäre mir eigentlich mein Zuhause, mein Edmund-Plambeck-Stadion", sagte Philipp Koch von Eintracht Norderstedt. Da das eigene Stadion aber zu klein und in Teilen marode ist, reisen er und seine Teamkollegen zum knapp 20 Kilometer entfernten Millerntor - dort geht es ausgerechnet gegen den FC St. Pauli. Anders als im Hamburger Volkspark droht dem Regionalligisten hier aber kein Minusgeschäft.

Statt vor 690 Zuschauern, wie im Schnitt in der Vorsaison, fordert Norderstedt den Kiezklub nun am Samstag (15.30 Uhr) vor 30.000 Fans. "Von 1000 Spielen gewinnt St. Pauli 999", sagte Sportchef Frank Spitzer: "Wir wollen dafür sorgen, dass es das eine Spiel wird, das sie vielleicht verlieren."

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