Neues Leben – Olympia-Legende Louganis verkauft seine Medaillen
Als Greg Louganis, der damals weltbeste Kunst- und Turmspringer, am 19. Juli 1988 auf der olympischen Bühne mit Kopf ans Dreimeterbrett knallt, hielt die Sportwelt ihren Atem an. Erst Recht, als er am Folgetag im Finale mit genähter Wunde erneut dort oben stand. Was folgte, ist eine der erstaunlichsten Geschichten der olympischen Historie, die einen Großteil seiner Legende ausmachen: Louganis gewann in Seoul Gold vom Dreier, dann auch vom Turm und wiederholte damit seinen Doppeltriumph von 19984. Bis heute gelang das keinem anderen.
Zwei Zeugnisse dessen haben nun den Besitzer gewechselt. Denn Olympia-Legende Louganis, heute 65 Jahre alt, hat sein olympisches Silber von 1976 und zwei seiner Goldmedaillen versteigert und sein Haus in Kalifornien, um ein neues Leben fernab der Heimat zu beginnen. „Ich brauchte das Geld dafür“, sagt er, ohne dafür Mitleid erhalten zu wollen. Es war eine bewusste Entscheidung für einen Neustart in Panama. Ein Leben, von dem Louganis oftmals dachte, es sei bald vorbei. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich jetzt noch lebe“, sagte er vor einigen Jahren im WELT-Gespräch. „Vor allem später nach der HIV-Diagnose.“
Doch Louganis lebt, es geht ihm gut. Und er möchte ein neues Kapitel beginnen. „Was bist du bereit, zurückzulassen, wenn das Leben weitergeht?“, schrieb er kürzlich auf Facebook. „Ich bin 65 Jahre alt und frage mich genau das. Ich bin nicht mehr der, für den ich mich früher gehalten habe. Ich bin nicht einmal annähernd das, was andere Menschen denken, dass ich bin.“
Ein Neustart kostet Geld. Geld, das er nicht hat, ohne zu verkaufen, was er besitzt. „Während viele Menschen Unternehmen aufgebaut und mit Gewinn verkauft haben, hatte ich meine Medaillen, für die ich dankbar bin“, sagt er. Sie brachten insgesamt 437.000 Dollar ein und übertrafen damit alle Erwartungen. Louganis entschied sich für die Gegenwart und Zukunft und ließ dafür dreimal Edelmetall zurück. Um das verstehen, reicht ein Blick in seine Biografie.
Ein Triumph, der ihn weit über die Grenzen seines Sports bekannt machte
Louganis schrieb olympische Geschichte, prägte seine Sportart und gilt bis heute als einer der besten Wasserspringer aller Zeiten. Schon bei den Spielen 1976 in Montreal gewann er als 16-Jähriger vom Turm Silber, 1984 in Los Angeles holte er dann Gold vom Turm sowie vom Dreimeterbrett. In Seoul wiederholte er das Kunststück dann auf dramatische Weise. Die dramatischen Tage von Seoul fügen sich ein in das Leben eines Mannes, das an Tragik kaum zu überbieten ist – damals, 1988, wusste das jedoch fast niemand.
Am 19. September 1988 hob er in Südkorea bei der Qualifikation vom Dreimeterbrett ab. Zweieinhalbfacher Salto rückwärts gehechtet, ein Routinesprung. Doch Louganis schlug mit dem Hinterkopf ans Brett. Die Wunde musste genäht werden, er hatte Schmerzen. Am nächsten Morgen aber stand er zum Finale wieder auf dem Brett. „Aber ich hatte Angst“, erzählte er WELT. Doch Louganis gewann. Ein Triumph, der ihn weit über die Grenzen seines Sports bekannt machte.
Dass er kurz vor den Spielen die Diagnose erhalten hatte, HIV-positiv zu sein, wusste damals fast niemand. Es hätte ihn die Olympiateilnahme kosten können. „Rund um das Thema Aids gab es nur Angst und kein Erbarmen“, sagte er. Und Homosexualität galt damals für viele, so erlebte es Louganis, als „Krankheit“.
Er, der sich als Kind samoisch-schwedischer Eltern schon anders gefühlt hatte, Mobbing erlebte, mit zwölf Jahren seinen ersten von mehreren Suizidversuchen machte und später in einer missbräuchlichen Beziehung gefangen war, feierte Anfang der 90er seinen Abschied vom Leben. „Damals, kurz vor der Party zu meinem 33. Geburtstag, siechte ich dahin, also dachte ich, ich sage tschüss – ohne es jedoch den Gästen zu erzählen“, erzählt er. Mitte der 90er-Jahre machte er die HIV-Infektion und seine Homosexualität öffentlich.
Während er Freunde beerdigte, brach Aids bei ihm nicht aus. Er konnte den wissenschaftlichen Fortschritt erleben, machte zudem seinen Frieden mit vielen Geschehnissen seines Lebens. Wer ihn trifft, begegnet einem freundlichen, offenen Mann, der sich mit Yoga und Krafttraining fit hält. Einen gefragten Redner zum Thema Motivation, aber auch zu Diskriminierung und Aufklärung rund um HIV und Aids. Zudem arbeitete der frühere Tänzer als Mentor einiger US-Wasserspringer und Kampfrichter beim Klippenspringer. Schauspielerei, Auftritte in TV-Shows, Hundetraining – Louganis lebte sein Leben. Und er heiratete.
„Jetzt kann ich herausfinden, wer Greg Louganis ist“
Jetzt hat er sich aus den USA verabschiedet und ist dabei, sich in Panama ein neues Leben aufzubauen – mithilfe des Geldes, das er aus der Versteigerung seiner Olympiamedaillen erhielt sowie dem Verkauf seines Hauses. Anderes hat er verschenkt oder gespendet.
„Ich weiß, dass ich mich bewusst dafür entschieden habe“, sagt Louganis, der „mit offenem Herzen und offenen Türen neu anfangen möchte“. Er sagt: „Ich habe erkannt, dass ich mich oft verschließe, mich zurückziehe und mich klein mache, um anderen zu gefallen. Ich glaube, ich habe nicht erkannt oder mir selbst zugetraut, was ich erreichen könnte.“ Sein neues Leben in Panama werde ihn dazu zwingen, sich auf eine Reise der Selbstfindung zu begeben.
„Jetzt kann ich herausfinden, wer Greg Louganis ist. Ohne Ablenkung und Lärm von außen. Zumindest ist das mein Ziel.“ Manchmal, so glaubt er, finde er es. „Und mein Ziel ist es, es zu leben. Die menschliche Seele durch die Erfahrungen des Lebens zu entdecken, zuzulassen und zu pflegen.“
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