Trainer-Legende Carlo Ancelotti lüftet in seiner neuen Biografie „Der Traum: Wie man die Champions League gewinnt“ (25 Euro, 320 Seiten, C.Bertelsmann Verlag, erscheint am 1. Oktober) Geheimnisse seiner großen und erfolgreichen Karriere.

Der 66 Jahre alte Italiener schreibt ausführlich über seine Zeiten als Spieler und als Coach beim AC Mailand (sechs Kapitel) und Real Madrid (fünf Kapitel). Sein Engagement beim FC Bayern bekommt kein eigenes Kapitel — doch mitten im Buch rechnet der aktuelle Nationaltrainer Brasiliens mit dem deutschen Rekordmeister ab, bei dem er nach nur 15 Monaten und einer Niederlage bei Paris Saint-Germain gefeuert wurde.

WELT druckt Auszüge aus der Ancelotti-Biografie:

Wir distanzierten in der Bundesliga in dieser Saison die Konkurrenz um Längen, hatten am Ende fünfzehn Punkte Vorsprung und damit fünf Punkte mehr, als Pep in den beiden Jahren zuvor zwischen sein Team und den Zweiten der Tabelle gelegt hatte. Allerdings galt dies bei den Bayern nicht als Erfolg. Es war das Mindeste, was erwartet wurde.

Habe ich damals möglicherweise meinen künftigen Boss getreten?

Immer, wenn es in den Medien hoch herging, stellte ich einen großen Unterschied bei diesem Job fest. Das völlig Neue für mich war das Arbeiten bei einem Verein, der nicht nach den Launen eines einzigen charismatischen Eigentümers regiert wurde. Stattdessen gab es hier eine heterogene Gruppe von Aktionären, während auf der Führungsebene des Klubs traditionell legendäre ehemalige Spieler das Sagen hatten.

Mitten in der Saison gab es einen Wechsel im Präsidentenamt, als Uli Hoeneß das Zepter übernahm. Vorstandsvorsitzender war Karl-Heinz Rummenigge, der als Spieler just zu der Zeit bei Inter Mailand war, als ich für die AS Rom spielte. Habe ich damals möglicherweise meinen künftigen Boss getreten, als ich gegen ihn auf dem Platz stand? Natürlich habe ich das. Es war schließlich mein Job.

Ich war also gleich mehreren wichtigen Leuten gegenüber verantwortlich. Es war schwer für mich zu durchschauen, wer mehr Macht hatte, und nachdem ich ein paar Wochen dort gewesen war, nahm ich einmal sogar Philipp Lahm zur Seite und fragte ihn nach seiner Meinung. Aber wie immer tat ich mein Bestes, um meine Unabhängigkeit zu bewahren.

Einmal baten mich die Bosse, bei den Spielern für mehr Disziplin zu sorgen, und drückten mir eine Liste mit fünf Punkten in die Hand, die ich den Spielern vorlesen sollte. Meiner Ansicht nach hatten wir es hier allerdings mit einer hochkarätigen Profitruppe zu tun und nicht mit einer Jugendmannschaft, deshalb sollte man auch entsprechend mit den Spielern umgehen.

Also stellte ich mich in der Umkleidekabine vor die Mannschaft, zog das Blatt Papier aus der Tasche und sagte: „Ich habe Order vom Vorstand, euch diese Liste hier vorzulesen.“ Das war meine Art, mich von dieser Aufgabe zu distanzieren.

Die heftigste Niederlage des FC Bayern in dem Wettbewerb seit 21 Jahren

Dann ging es Ende September zu einem weiteren meiner Ex-Klubs. Gegen Paris Saint-Germain beschloss ich, auf unsere in die Jahre gekommene Flügelzange zu verzichten und unsere Verteidiger weiter aufrücken zu lassen, während wir uns überwiegend auf Angriffe durch die Mitte verlegten. Es war ein Fehler. Die Balance stimmte nicht, und so konnten sie uns mit ihrem Konterspiel aufmischen. Ihr erstes Tor erzielten sie bereits in der zweiten Minute. Das Endergebnis von 0:3 war Bayerns heftigste Niederlage in dem Wettbewerb seit 21 Jahren.

Am Tag nach dem Spiel setzte sich der Vereinsvorstand zusammen und kam zu dem Schluss, dass ich das Problem sei. „Die Leistung unserer Mannschaft seit Saisonbeginn erfüllte nicht die Erwartungen, die wir an sie gestellt hatten“, befand Rummenigge. „Die Partie in Paris hat deutlich gezeigt, dass wir Konsequenzen ziehen mussten.“

Ich war inzwischen viermal von großen Vereinen entlassen worden: Juventus, Chelsea, Real Madrid und Bayern München. Woraus hervorgeht, dass es keines erratischen Präsidenten oder unberechenbaren Eigentümers bedarf, damit du abgesägt wirst. Das können auch Anteilseigner eines Unternehmens erledigen. Es war die rücksichtsloseste Entlassung meiner gesamten Karriere. Nach meinem Abgang erreichten sie in der Champions League das Halbfinale und scheiterten dort an – raten Sie mal! – Real Madrid.

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