"Absolut einzigartig und mutig"
Sie recherchierte in den von Russland besetzten Gebieten der Ostukraine und kam nicht mehr zurück: die ukrainische Journalistin Roschtschyna. Monate nach ihrem Tod wurde der Leichnam zurückgegeben und nun in Kiew beigesetzt.
Vier Männer tragen einen schwarzen Sarg aus dem Auto. Hunderte Menschen sind zum Unabhängigkeitsplatz im Herzen der ukrainischen Hauptstadt Kiew gekommen. Sie wollen der Journalistin Viktoria Roschtschyna die letzte Ehre erweisen. Alle gehen auf die Knie als der Sarg vorbei getragen und auf dem Maidan Nesaleschnosti aufgestellt wird.
Immer wieder hatte Roschtschyna aus den russisch besetzten Gebieten der Ukraine berichtet und sich damit damit selbst in große Gefahr gebracht. Im August 2023 verlor sich ihre Spur im Süden der Ukraine. Monatelang ignorierten russische Behörden Anfragen zu ihrem Verbleib.
Im April 2024 wurde bestätigt, dass sich Roschtschyna in russischer Gefangenschaft befindet. Die Nachricht über den Tod ihrer Tochter erhielt die Familie schließlich ein halbes Jahr später im Oktober.

Zahlreiche Menschen knien vor dem Sarg und erweisen der Journalistin die letzte Ehre.
Journalismus als Berufung
"Vika gab nie auf", sagt Angelina Karjakina, Chefredakteurin des Fernsehsenders Suspilne. Roschtschyna hatte für diesen Sender und viele andere ukrainische Medien berichtet. Auch viele Journalistinnen und Journalisten sind auf den Maidan gekommen, um von ihrer ehemaligen Kollegin Abschied zu nehmen. Manche, die an diesem Tag über die Veranstaltung berichten, haben selbst Tränen in den Augen, während sie die Kamera in der Hand halten.
"Was ich von Vika gelernt habe, ist, mich nie zu beschweren. Mir fällt das schwer. Ihr gelang das perfekt. Ich habe nie gehört, dass sie Hunger hatte, schlafen wollte oder müde war, denn sie nahm nie Urlaub oder freie Tage. Sie arbeitete immer, denn für sie war das keine Arbeit, Journalismus war für sie eine Berufung", berichtet Karjakina.
Todesursache unklar
Im Februar 2025 wurde Roschtschynas Leichnam übergeben, zusammen mit vielen anderen toten Körpern hunderter gefallener Soldaten. Roschtschyna war mit dem Vermerk "nicht identifizierte männliche Person" versehen. Erst eine Recherche von Investigativjournalisten und ein DNA-Abgleich ergaben, dass es sich um die Leiche von Roschtschyna handelte. Nach Informationen der Generalstaatsanwaltschaft konnte die Todesursache nicht festgestellt werden - wegen des Zustands der Leiche und der fortgeschrittenen Verwesung, wie es heißt.
Mehrere Abschürfungen, Blutungen und Knochenbrüche lassen auf Folter schließen. Immer wieder gibt es Berichte darüber, dass ukrainische Zivilisten in russischen Gefängnissen gefoltert werden, sagt Tetjana Katrytschenko.
Ihre Organisation, die Medieninitiative für Menschenrechte, trägt die Schilderungen zusammen: "Zum Beispiel wird dort jeder geschlagen. Man lässt die Menschen nicht schlafen, sie lassen sie nicht essen und andere Dinge. Sie drohen ihnen mit sexueller Gewalt. Und dann foltern sie mit Stromschlägen. Sie stülpen ihnen Plastiktüten über den Kopf. Die meisten Menschen dort sind solchen Folterungen ausgesetzt."
Folter in Gefängnissen
Roschtschyna ist nicht die einzige Journalistin, die von Russland gefangen gehalten wurde. Laut Reporter ohne Grenzen sitzen noch mindestens 28 andere Journalistinnen und Journalisten in russischen Gefängnissen. Sewhil Musajewa, Chefredakteurin der Zeitung Ukrainska Prawda fordert deshalb mehr Druck auf Russland.
Zum Beispiel Iryna Danylowytsch und Dmytro Chiljuk von der Nachrichtenagentur UNIAN: "Ich weiß, dass viele hier Dmytro kennen. Er befindet sich in einem Gefängnis in der russischen Region Wladimir. Auch er hat stark an Gewicht verloren. Auch er wird gefoltert. Wir wollen Aufmerksamkeit für sie, wir möchten, dass unsere Kollegen, die in Gefangenschaft sind, zurückkehren."Selten
Berichte aus besetzten Gebieten eher selten
Gibt es immer noch unabhängige ukrainische Journalisten, die aus den besetzten Gebieten berichten? Musajewa will das weder bestätigen noch verneinen: "Ich weiß, dass ukrainische Journalisten aus ukrainischen Redaktionen, die früher in den besetzten Gebieten gearbeitet haben, nicht mehr dort arbeiten, weil es riskant ist und es sehr schwierig ist, dorthin zu gelangen. Nun, selbst internationale Journalisten kommen dorthin nur selten, abgesehen von einigen wenigen Reportagen. Deshalb war das, was Viktoria tat, absolut einzigartig und mutig. Etwas Vergleichbares gab es nicht."
Viktoria Roschtschyna hat ein Vermächtnis mit ihrer Arbeit hinterlassen, glaubt Musajewa. Unter anderem wegen ihrer Reportagen werde man sich an die Geschichte dieses Krieges erinnern.
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