"Trump hat sich die nächste Institution vorgenommen"
US-Präsident Trump hat vor hochrangigen Militärs gesprochen. Mit dem Treffen wollte er wohl ihre Loyalität testen, sagt Experte Tolksdorf. Nun gehe es darum, wie die Generäle reagieren - und wofür sie sich einsetzen lassen.
tagesschau.de: In seiner Rede vor Hunderten führenden Militärs schlug Präsident Donald Trump vor, US-Städte als Übungsplätze für das Militär zu nutzen. Er sprach vom Feind im Inneren. Was passiert da gerade?
Dominik Tolksdorf: Zumindest laut seiner Rede sieht Trump die Gefahr für die USA weniger von außen, sondern im Inneren. Im Kern ist die Rhetorik vom Krieg im Inneren nicht neu. Er sprach schon oft von einer Invasion durch seiner Meinung nach unkontrollierte Migration, und die Politik Trumps eskaliert diese Logik seit Langem - aber die jetzige Formulierung ist doch ein Signal.
Wer genau soll sich von seiner Rhetorik angesprochen fühlen? Offenbar alle politischen Kontrahenten; alle, die irgendwie in Opposition zu seiner Politik stehen, auch demokratisch regierte Städte und Bundesstaaten. Damit schürt Trump Befürchtungen vor dem, was er noch alles tun könnte.

Einschüchterung der Militärführung?
tagesschau.de: Was will Trump damit bezwecken?
Tolksdorf: Einerseits wird angenommen, dass er damit versucht, die Opposition einzuschüchtern. Andererseits könnte diese Einschüchterung nun aber auch in den Rängen des Militärs selbst wirken.
Dabei könnte es wiederum zwei Ziele geben: Die Regierung Trump möchte erstens das Militär umbauen, mit einer komplett neuen, antiprogressiven Kultur, ohne Diversitätsprogramme, dem Ausschluss von Frauen in Kampfeinsätzen. Zweitens könnte Trump die Loyalität der Generäle testen. Die Regierung hat angekündigt, 20 Prozent der hohen Generäle zu entlassen. Hohe Militärs könnten sich unter Druck gesetzt fühlen, sich unsicher sein, wie es mit ihnen weitergeht.
Der Einsatz von Truppen im Inland geht gegen alles, worauf die US-Truppen in ihrer Ausbildung vorbereitet werden. Das Militär darf nicht für polizeiliche Aufgaben eingesetzt werden, es darf nicht gegen US-Bürger eingesetzt werden. Es wird im Innern nur in ganz wenigen Fällen eingesetzt, etwa wenn es große Unruhen gibt wie 1992 in Los Angeles. Die US-Streitkräfte sind dafür da, um die USA von außen zu schützen und die US-Verfassung zu schützen.
Jetzt könnten sich die hohen Militärs fragen: Wie gehe ich mit dieser Situation um? Wagt man intern noch Kritik an den Plänen der Regierung oder nicht?
"Pentagon war Dorn im Auge"
tagesschau.de: Das heißt, bei dem Treffen ging es vor allem um einen Prozess, in dem Loyalität zu Trump statt zur Verfassung getestet werden soll?
Tolksdorf: So wird es zumindest von vielen interpretiert. Militärvertreter hatten sich in der ersten Amtszeit Trumps intern mehrmals gegen seine Pläne gestellt. Das Pentagon war Trump ein Dorn im Auge, weil da Leute saßen, die ihm widersprochen haben. Dagegen könnte er nun vorgehen wollen.
Eigentlich ist klar, das Militär muss zuallererst loyal gegenüber der Verfassung sein und nicht gegenüber einer Person, auch nicht dem Präsidenten. Das geht auf die Gründungsgeschichte der USA und den Unabhängigkeitskampf gegen die britische Krone sowie die dem König loyalen Truppen zurück. Die Loyalität des Militärs gegenüber der Verfassung ist ein wichtiger Grundsatz der US-Demokratie.
Bewusste Themensetzung?
tagesschau.de: Sie halten die Aussagen zum Einsatz des Militärs im Innern nicht nur für ein spontanes Trump'sches Abschweifen, sondern für eine bewusste Themensetzung?
Tolksdorf: Das ist nicht auszuschließen. Natürlich ging es bei dem Treffen auch um Hegseths Ansage zum Kulturkampf gegen progressive Entwicklungen im US-Militär und um seine Vorstellung vom "Kriegerethos". Aber das ist nicht neu, und dafür muss man nicht Hunderte Generäle aus aller Welt mit großem Aufwand nach Quantico einfliegen.
Die wichtigere Neuigkeit aber waren sicher die Aussagen, die viele als Trumps Test der Loyalität der Militärs interpretieren. Und jetzt guckt das Weiße Haus, wie das Militär darauf reagiert.
"Versuch, das Militär zu politisieren"
tagesschau.de: Welche Möglichkeiten bleiben den Militärs, die diese Linie ablehnen?
Tolksdorf: Trump und Hegseth haben es deutlich genug gemacht: Wer nicht mitmacht, der kann das Militär auch verlassen. Man möchte alle Generäle loswerden, die Trumps Bild des Militärs nicht widerspiegeln. Viele in den USA sehen das als Versuch Trumps, das Pentagon und das Militär zu politisieren.
Die versammelten Generäle haben diese Aussagen jetzt erstmal so aufgenommen. Sie werden sich jetzt fragen, wie sie mit dieser Situation umgehen sollen. Das gilt auch für alle anderen US-Soldaten.
Die wirklich interessante Frage ist, mit welcher Entwicklung nun zu rechnen ist. Wird das Militär nun noch mehr im Inland eingesetzt? Wie würde die Militärführung darauf reagieren? Wofür würde es sich einsetzen lassen? Würde es sich an Festnahmen beteiligen oder an Hausdurchsuchungen?
Das wäre eine ganz neue Qualität, weil das Militär nicht zu solchen polizeilichen Aufgaben befugt ist. Aber diese Befürchtungen werden bei vielen bestehen.
"Viele machen sich Sorgen"
tagesschau.de: Was ist das übergeordnete Ziel im Weißen Haus? Was wird hier vorbereitet?
Tolksdorf: Viele befürchten, dass dies ein Anzeichen für einen Schritt hin zur Autokratie ist. Viele machen sich Sorgen, dass die Regierung in die freien Wahlen eingreifen und versuchen könnte, das Militär bei Protesten einzusetzen. Und fragen sich, ob es sich hierbei am Ende "nur" um einen Einschüchterungsversuch von Trump handelt, oder ob er es tatsächlich schafft, das Militär auf Linie zu bringen.
Ich bin da noch optimistisch, dass das nicht so schnell geht. Andererseits sieht man ja auch sonst relativ wenig Gegenwehr gegen die Politik Trumps in den USA - weder vom Kongress, noch vom Obersten Gerichtshof.
Und jetzt hat Trump sich die nächste Institution vorgenommen.
Das Gespräch führte Christoph Schwanitz für tagesschau.de.
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