Das Ende der Staatsräson?
Einige sehen in Merz' Entscheidung, weniger Waffen an Israel zu liefern, ein Ende der deutschen Staatsräson. Doch Historiker sagen, die Entscheidung sei richtig. Deutschland müsse auch im Einklang mit seinen Werten handeln.
Friedrich Merz will seine Entscheidung herunterspielen: "Die Grundsätze der deutschen Israel-Politik sind unverändert. Daran hat sich nichts geändert und daran wird sich nichts ändern." Der Bundeskanzler unterbricht seinen Urlaub, um das in den tagesthemen klarzustellen. Zu groß ist die Aufregung in den eigenen Reihen.
Vor allem bei der CSU. Die Parteispitze schickt ihren Außenpolitiker Stephan Mayer vor: "Man muss, gerade auch wenn man Symbolpolitik betreibt, natürlich auch sachliche Erwägungen miteinbeziehen. Da gibt es aus meiner Sicht nach wie vor sehr gute Gründe, die gegen ein Teilverbot von Waffenlieferungen nach Israel sprechen."

Kanzler Merz verteidigt Entscheidung zur Einschränkung von Rüstungsexporten nach Israel
Frank Jahn, ARD Berlin, tagesschau, 10.08.2025 17:45 UhrIn Berlin war der Frust groß
Bei CDU und CSU ist die Rede von einem Bruch jahrzehntelanger Israel-Politik. Manche in der Union fragen sich: Ist das das Ende der Staatsräson?
Moshe Zimmermann sieht das überhaupt nicht so. Für den israelischen Historiker ist die Entscheidung, bestimmte Waffen nicht mehr zu liefern, genau das: Staatsräson: "Wenn man für die Sicherheit Israels ist, kann man nicht für die Eroberung Gazas durch Israel sein. Wenn man für die Sicherheit und für die Existenz Israels ist, dann muss man dafür sein, dass Israel irgendwie mit den Palästinensern Kontakt aufnimmt."
Zimmermann vermutet im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio: Merz hatte die Nase voll vom israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu.
In Berlin war der Frust groß, dass die israelische Regierung immer wieder zusagt, dass mehr Hilfe nach Gaza gelangt - dann aber kaum etwas passiert. Stattdessen: eine Offensive auf Gaza-Stadt.
"Extrem angespannte" Situation
Der Historiker Zimmermann sieht in Merz‘ Entscheidung eine verständliche Wende. "Man kann nicht weiter eine Politik betreiben, die nicht Israel unterstützt, sondern die israelische Regierung. Und die Interessen der israelischen Regierung sind nicht identisch mit den Interessen von Israel selbst."
Für Peter Lintl kommt mit der Entscheidung des Bundeskanzlers etwas in Einklang, was vorher in Schieflage geraten war. Der Nahostexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik spricht von zwei Säulen der deutschen Israel-Politik: die historische Verantwortung aus der deutschen Vergangenheit und Prinzipien wie Menschenrechte und Völkerrecht. Die seien durch die israelische Kriegsführung in Gaza verletzt.
"Dieser Schritt war einfach ein Schritt, um auch eine gewisse Balance zwischen diesen beiden Säulen wiederherzustellen, und ich halte ihn für einen richtigen Schritt", sagt Lintl.
Lintl nennt die Situation zwischen den beiden Regierungen "extrem angespannt". Das sei aber in der Vergangenheit ähnlich gewesen.
Die Gespräche bleiben schwierig
Langfristige Folgen erwartet der Politikwissenschaftler nicht - auch nicht für künftige israelische Rüstungsexporte nach Deutschland. Israel habe schließlich auch ein Interesse daran, zum Beispiel sein Raketenabwehrsystem "Arrow 3" zu verkaufen.
Eine Abkehr von den Grundsätzen der deutschen Israel-Politik sieht Lintl nicht. Die Staatsräson müsse im Dialog mit den anderen außenpolitischen Werten, die die Bundesrepublik auszeichneten, stehen. Dann mache es Sinn. "Natürlich muss Deutschland und soll Deutschland auch ein besonderes Verhältnis zu Israel haben, aber eben nur im Dialog mit Menschenrechten und Völkerrechten."
Die beiden Regierungen werden nach Lintls Einschätzung weiter miteinander reden. Diese Gespräche bleiben schwierig - auch daran dürfte sich nichts ändern.
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