Gemischte Gefühle an der Basis
Nach 100 Tagen Schwarz-Rot zeigen Umfragen nur wenig Zufriedenheit mit Union und SPD. Das hat auch Auswirkungen auf den Kommunalwahlkampf, der in Nordrhein-Westfalen in die heiße Phase geht.
"Ansprechbar" steht auf einem großen Schild am Infostand der CDU in Bochum. Die Wahlkampfhelfer wollen auf dem Wochenmarkt in Langendreer mit den Menschen ins Gespräch kommen. Die CDU kämpft in der SPD-Hochburg Bochum um jede Stimme. Oberbürgermeisterkandidat Andreas Bracke versucht für die Kommunalwahl am 14. September, mit lokalen Themen zu punkten. Doch immer wieder ist an dem Stand auf dem Marktplatz die Bundespolitik das Gesprächsthema.
Er hat Verständnis, dass Wählerinnen und Wähler auch mal unzufrieden sind. Persönlich habe er sich mehr Rückenwind aus Berlin erwartet. "Momentan haben wir viele Diskussionen mit den Bürgerinnen und Bürgern, gerade auch wegen der Schuldenthematik. Das hätte man sich anders erhofft, da gibt es natürlich Anforderungen an die CDU, und das ist natürlich jetzt ein Thema, mit dem wir ganz häufig konfrontiert werden", so Bracke.
Kritik vor allem an der Bundespolitik
Verständnis zeigen, aber auch erklären, woran es vielleicht gelegen haben kann. Das ist immer wieder die Aufgabe in vielen Gesprächen. Ab und zu gelingt es, potenzielle Wähler zu überzeugen.
Rentner Wolfgang Hagenguth ist mit dieser Regierung zufriedener als mit der Ampelkoalition. "Denn diese Regierung zeigt klare Kante und setzt ihre Themen durch."
Marktbesucherin Elke Meyer ergänzt: "Ich denke, die haben ja nicht so ganz viele Möglichkeiten, ist ja alles in Schutt und Asche bei uns. Wir müssen ja Schulden machen, wir müssen das regulieren irgendwie, und von daher denke ich, ist dieses ewige Gemeckere auch nicht wirklich prickelnd."
Es ist nicht immer leicht, auf dem Wochenmarkt mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Viele winken ab, gehen einfach weiter. Und immer wieder gibt es Kritik, vor allem an der Bundespolitik.
"Die Wahlversprechen oder die Vollmundigkeit, die da an den Tag gelegt wurde, vor allem an die Vorgängerregierung gerichtet; da wurde gesagt, wir machen keine Schulden und so weiter und was ist jetzt? Jetzt haben wir einen Haufen Schulden", beschwert sich Marktbesucherin Christel Stierzofysky.
Sieglinde Dahlhoff macht sich große Sorgen: "Die ganzen Politiker versprechen uns immer vieles und es wird nichts gehalten. Warum gehen Mieten so weit hoch, die Arbeitslosigkeit - das ist erschreckend."
Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene "pragmatischer"
Wenig später baut neben der CDU auch die SPD ihren Stand auf dem Wochenmarkt auf. Ihr Oberbürgermeisterkandidat ist der ehemalige Polizeipräsident Jörg Lukat. Er tritt für die SPD und die Grünen an. Auch er ist der Meinung, dass manche Streitigkeiten der Koalition in Berlin die Arbeit in der Kommunalpolitik erschweren. Man sei noch dabei, sich "zusammenzuruckeln".
"Auch bei der Frage zur Wahl der Richterin für das Bundesverfassungsgericht hat sich gezeigt, dass man noch ganz anders miteinander im Gespräch, im Austausch sein muss. Und ich würde mir wünschen, dass da mehr Ruhe reinkommt, weil das strahlt natürlich auch in die Länder und insbesondere die Kommunen rein", so seine Bilanz.
In Bochum sind CDU und SPD politische Gegner. Trotzdem gehe man pragmatisch miteinander um, sagen beide Parteien. Man versuche gemeinsam Lösungen für kommunale Probleme zu finden. Von dieser Zusammenarbeit könne sich die Koalition in Berlin eine Scheibe abschneiden.
"Also hier finden viele Dinge dann doch auf Arbeitsebene statt, wo man versucht, auch mit den anderen Parteien kameradschaftlich umzugehen. Das ist wohl im Ruhrpott spezieller als in anderen Teilen der Republik", so CDU-Kandidat Andreas Bracke.
Kommunalpolitiker wünschen sich mehr Beachtung aus Berlin
Auch beim Blick nach Berlin vertreten die Politikerinnen und Politiker aus den unterschiedlichen politischen Lagern ähnliche Meinungen. Vince Schlinkmann, der für die SPD für den Stadtrat in Bochum kandidiert, hat eine klare Botschaft: "Ich würde der Koalition empfehlen, sich darauf zu konzentrieren, was passiert in den Städten und vor Ort und sich da auch nochmal anzugucken: Was können wir konkret anpacken, um vor Ort Politik zu unterstützen?"
Carolin Pesch, die im Wahlkampf für die CDU gegen ihn antritt, sieht das ähnlich: "Es wäre schon gut, wenn sie sich da vertragen würden, weil dann eben auch weniger Fragen dazu kommen und wir auch weniger Konflikte hier vor Ort haben. Denn irgendwie spielt es ja doch immer mit rein."
Doch auch wenn man in Bochum pragmatisch miteinander umgeht und vieles ähnlich sieht, kann man sich bei der CDU eine Spitze dann doch nicht verkneifen. Ein Werbegeschenk ist Sonnencreme - mit der Aufschrift: Es soll ja niemand rot werden.
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