• Fast drei Millionen junge Erwachsene zwischen 20 und 34 Jahren haben keinen Berufsabschluss.
  • Für einen MDRfragt-Nutzer war das geringe Azubi-Gehalt ein Grund, nach dem Schulabschluss gleich zu arbeiten.
  • Influencer seien neue Vorbilder, wenn es um materielle Wünsche gehe, die mit einem Azubilohn meist nicht vereinbar sind, sagt Bildungsforscher Johannes Schuster.

Die zwei Thüringer Jakob Gatz aus Gotha und Marvin Paschold aus Erfurt haben sich zum Thema "Erst arbeiten statt Ausbildung" bei MDRfragt mit ihren Erfahrungen gemeldet. Während der eine direkt ein Studium und danach eine Ausbildung begann, arbeitete der andere als ungelernte Hilfskraft ein Jahr lang in zwei Jobs, bis er sich für eine Ausbildung entschied. Im Gespräch mit MDR AKTUELL schildern sie die Gründe für ihre Entscheidung.

Gleich arbeiten nach Schulabschluss: "auf keinen Fall"

Jakob Gatz wollte nach der Schule nicht zuerst arbeiten und erst dann eine Ausbildung beginnen. Im Gegenteil: "Ich wollte so schnell wie möglich eine berufliche Grundlage schaffen", sagt der Kaufmann für Büromanagement. Seine Ausbildung hat er nach einem angefangenen Studium schnell abschließen können. Gerade macht er eine IHK-Weiterbildung zum Wirtschaftsfachwirt, möchte sich breit aufstellen und schließt auch eine spätere Selbstständigkeit nicht aus.

Für Jakob Gatz kam Arbeiten nach seinem Abitur nicht in Frage. So sehen es auch 42 Prozent der Befragten der Bertelsmann-Studie, die "auf keinen Fall" nach der Schule als Erstes arbeiten gehen möchten.

"Azubi-Gehalt war mir zu wenig"

Für Marvin Paschold aus Erfurt war hingegen nach seinem Realschulabschluss schnell klar, dass er erst einmal ein Jahr arbeiten werde, um sich ein paar materielle Wünsche zu erfüllen. Der heute 29-jährige Rettungssanitäter, der gerade eine Weiterbildung zum Wetterbeobachter macht, sagt im Gespräch mit MDR AKTUELL: "Das Azubi-Gehalt war mir zu wenig. Ich wollte ein neues Handy, einen Fernseher und Geld für mein Auto dazuverdienen."

Man sollte nicht zu lange jobben, sondern irgendwann eine richtige Ausbildung machen.

Marvin Paschold aus Erfurt

Paschold arbeitete deshalb nach der Schule gleich in zwei Jobs, bei einem Heizungs-Sanitär-Betrieb und einer Möbel-Spedition. "Man sollte das aber nicht zu lange machen, sondern irgendwann eine richtige Ausbildung machen", sagt er abschließend.

Mit Möbel aufbauen hat sich Marvin Paschold nach der Schule Geld verdient. Zu lange sollte man das aber nicht machen, findet er. (Symbolbild)Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Hendrik Schmidt

Drei Millionen junge Menschen ohne Berufsabschluss

Denn wer nach der Schule ausschließlich jobbt, jahrelang, verpasst es womöglich, sich als Fachkraft ausbilden zu lassen. 2,86 Millionen junge Erwachsene zwischen 20 und 34 Jahren, die in Deutschland leben, haben keinen Berufsabschluss. Die Anzahl hat sich in den vergangenen zwei Jahren erhöht.

Ohne reguläre Ausbildung steigt das Risiko, arbeitslos zu werden.

Helen Renk, Expertin der Bertelsmann Stiftung für berufliche Bildung

Darin sieht Helen Renk, Expertin der Bertelsmann Stiftung für berufliche Bildung, eine Gefahr: "Ohne reguläre Ausbildung steigt das Risiko, arbeitslos zu werden oder im Niedriglohnsektor zu verharren", erklärt sie. Ungelernte Hilfsarbeiter sind eben keine Fachkräfte; und Fachkräfte sind es, die langfristig gebraucht werden.

Wenn Fachkräfte fehlen, ist das schlecht für die Gesellschaft, aber auch für die Menschen selbst.

Johannes Schuster, Bildungsforscher an der Universität Leipzig

Bildungsforscher Johannes Schuster von der Universität Leipzig sieht das ähnlich: "Wenn jemand nicht gleich eine Ausbildung beginnt, muss das nicht heißen, dass er es nie tun wird. Aber die Gefahr steigt. Und wir brauchen gut ausgebildete Menschen. Wenn diese Fachkräfte fehlen, ist das schlecht für die Gesellschaft, aber auch für die Menschen selbst."

Influencer als neue Vorbilder

Johannes Schuster ist Bildungsforscher an der Universität Leipzig.Bildrechte: Johannes Schuster

Schuster sagt: "Ausbildungszeiten müssten besser bezahlt werden und junge Menschen sollten von Anfang an besser auf den Bewerbungsprozess nach der Schule vorbereitet werden. Manchen fehlen aber auch tatsächlich die Zugangsvoraussetzungen, wenn Ausbildungen beispielsweise nicht mit dem Hauptschulabschluss begonnen werden können." Hier müsse man ansetzen, wenn sich die Situation verändern solle.

Durch Social Media seien junge Menschen außerdem mit Vorbildern aufgewachsen, die es vor 20 Jahren noch nicht gab: Influencern. Bei ihnen sehe man, wie man auf unterschiedliche Arten augenscheinlich viel Geld verdienen kann – ohne klassische Ausbildung. "Gleichzeitig wird ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass es wichtig ist, Geld und Luxusartikel zu besitzen, das wird vorgelebt", erklärt Schuster.

Dass der materielle Nutzen von Arbeit zwischen 2019 und 2024 besonders für junge Menschen an Bedeutung gewonnen habe, sei in einer anderen Studie, der Shell-Jugendstudie, ablesbar, schreibt Stephan Abele von der TU Dresden. Er ist Professor für Berufspädagogik. Er rät: "Wir sollten Jugendlichen deshalb klar und verständlich vermitteln, dass eine berufliche Ausbildung zentral ist, um langfristig einen sicheren und auskömmlichen Arbeitsplatz zu erlangen."

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke