Wie Sanierungssprints mehr Häuser in derselben Zeit fit für die Zukunft machen können
- Studie: Sanierungssprint kann Kosten um 30 Prozent senken
- Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen bei Sprintansatz bisher vorn
- Deutschland muss bei Sanierungen deutlich Tempo zulegen
Ein leerstehendes Einfamilienhaus in Dessau-Roßlau. Nur mit einem Smartphone ausgestattet läuft der digitale Produktentwickler Gregor Ilg durch die Räume. Die Kamera hält die Grundrisse fest, misst die Deckenhöhen aus – ein KI-basiertes Tool errechnet aus den Daten ein 3D-Modell. Nicht einmal eine Stunde dauert die digitale Vermessung, die Grundlage für eine geplante Sanierung ist.
Man kann im Prinzip innerhalb von wenigen Stunden eine Kostenschätzung haben, wofür man normalerweise eine Woche bräuchte oder zwei.
"Man kann im Prinzip innerhalb von wenigen Stunden eine Kostenschätzung haben, wofür man normalerweise eine Woche bräuchte oder zwei", erklärt Ilg. Nicht ganz so schnell, aber doch in nur 22 Tagen soll das Haus einen Sanierungssprint durchlaufen – sobald eine Käuferin oder ein Käufer feststeht. Für gerade mal 59.000 Euro steht das Haus im Angebot – fünf Zimmer auf 119 Quadratmetern, dazu ein großer Garten.

Doch das Haus ist sichtbar in die Jahre gekommen. Für die zusätzlichen Sanierungskosten soll deshalb ebenfalls ein Fahrplan her, erklärt Finanzberater Mark Kaiser. Denn für Kaufinteressierte sei es sehr schwierig, die Kosten zu schätzen oder auch in einer koordinierten Form angeboten zu bekommen. "Deshalb haben wir unsere Experten da, die sich vor Ort ein Bild machen und uns letztlich die Kosten konkret beziffern können."
Wie effiziente Planung und Logistik die Sanierung beschleunigen können
Nach der digitalen Vermessung schaut sich Bauingenieur Ronald Meyer die Bausubstanz nochmal gründlicher an. An den Wänden lässt sich die Tapete vor Feuchtigkeit einfach abziehen, an einer Stelle taucht ein Riss auf. Ein Zimmer im Erdgeschoss ist leicht erhöht über drei Treppenstufen zu erreichen – darunter liegt ein Gewölbekeller, wie eine Öffnung des Bodens zeigt. Meyer will die Tücken des Hauses frühzeitig erkennen, um auf der Baustelle möglichst wenige Überraschungen zu erleben.

Der Bauingenieur hat bereits mehrere Ein- und Zweifamilienhäuser durch den Sanierungssprint geführt, mit wissenschaftlicher Begleitung. Dabei konnten die Prozesse unter anderem durch einen stundengenauen Bauzeitenplan beschleunigt werden. Eine effizientere Logistik ersparte Handwerkern unnötige Fahrten, wo möglich wurden Arbeitsprozesse parallelisiert, eingespielte Teams konnten Routinen entwickeln.
Forschende der Universität Stuttgart attestieren dem Sanierungssprint, mittelfristig rund 30 Prozent an Kosten einsparen zu können – wenn aus einzelnen Projekten Sprints in Serie werden und dadurch beispielsweise Lieferketten optimiert werden. Auch Meyer denkt schon weiter und will den Sprint auf Quartiere übertragen: jeweils nach dem individuellen Bedarf der einzelnen Häuser, aber mit der Expertise vor Ort. "So könnte man einen ganzen Straßenzug oder ein Wohnviertel vielleicht innerhalb von einem halben Jahr so sanieren, dass die Energiekosten runtergehen und alles auf dem aktuellen Stand ist."
Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten zwei bis fünf Jahren hunderte bis Tausende Sanierungssprints haben werden.
Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen bei Sprints bisher vorn
Der Thinktank Agora Energiewende stellte bereits vergangenes Jahr eine ganze Reihe an Vorschlägen vor, wie die Politik in Bund und Ländern den Sprintansatz durch gezielte Förderung schneller in die Breite tragen könnte – unter anderem durch eine zentrale Marktentwicklungsstelle, um Wissen und Kontakte zu verbreiten. Zudem solle eine Anschubfinanzierung für Sanierungscoaches das neue Berufsbild etablieren – eine zentrale Rolle, um die Sanierungssprints effizient zu planen und zu koordinieren.
Bisher findet der Sprintansatz allerdings vor allem in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen Anklang. Die Landesgesellschaft für Energie und Klimaschutz will den Sprint in ganz NRW ausrollen, in einem Wettbewerb erhielten Ende 2024 drei Sprint-Projekte in Köln, Bielefeld und Bonn je 10.000 Euro.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie will sich nicht konkret zum Sanierungssprint äußern. "Der Koalitionsvertrag verlangt ein technologieoffeneres, flexibleres und einfacheres Gebäudeenergiegesetz", heißt es mit Verweis auf die geplante Reform des GEG. Die Sanierungs- und Heizungsförderung werde fortgesetzt.
Deutschland muss bei Sanierungen deutlich Tempo zulegen
Wenig Verständnis zeigt dafür Ronald Meyer. Es brauche keine Technologieoffenheit, wenn man nur den optimalen Weg kenne, sagt er und ist überzeugt, dass sich der Sprintansatz durchsetzen wird. Von zögerlicher Politik will er sich nicht aufhalten lassen. Rund 30 angehende Sanierungscoaches bildet er aktuell weiter, zertifiziert vom Bundesverband Gebäudemodernisierung. In wenigen Jahren schon könnte es dann hunderte bis Tausende Sanierungssprints geben, ist Meyer überzeugt.
Der Witz an den Sanierungssprints ist, dass ich mit der gleichen Anzahl an Fachkräften doppelt so viele Sanierungen in der gleichen Zeit schaffe.
Der Sanierungsbedarf ist in jedem Fall da: dem Umweltbundesamt zufolge müssten Bestandsgebäude im doppelten bis vierfachen Tempo saniert werden, um die gesetzlich festgelegten Klimaziele zu erreichen.

"Der Witz an den Sanierungssprints ist, dass ich mit der gleichen Anzahl an Fachkräften doppelt so viele Sanierungen in der gleichen Zeit schaffe", sagt Christian Noll von der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz. Dabei seien die Sanierungen nicht nur wichtig wegen der Klimaziele. "Sie helfen jedem Einzelnen, die Energiekosten zu senken und sind eine Investition in die Werthaltigkeit von Immobilien insgesamt." Und Deutschland insgesamt kann so unabhängiger von Energieimporten werden.
In Dessau-Roßlau steht nach wenigen Stunden die erste grobe Kostenschätzung: 230.000 Euro für Entkernen und Feuchteschutz bis hin zu neuem Dach, Dämmung, neuer Heizung und Innenausbau. Förderzuschüsse schon abgezogen. Je nach gewünschtem Sanierungsstandard der künftigen Bewohner können die Kosten aber auch stark variieren, betont Meyer. Unter 400.000 Euro sollte die Summe schon liegen, hatte der Makler zu Beginn des Ortsbesuchs gesagt – damit sich Interessierte nicht doch für einen Neubau entscheiden. Sobald eine Käuferin oder ein Käufer feststeht, kann der Sanierungssprint starten.
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