Linke beklagt "grottenschlechtes Handwerk"
Die Koalition braucht bei der Verfassungsrichterwahl im Bundestag Stimmen der Opposition. Die Union hat aber bisher nicht mit Vertretern von Grünen und Linken darüber geredet - die Unionsfraktionschef Spahn nun scharf kritisieren.
Nach der missglückten Richterwahl im Juli wagt der Bundestag am Donnerstag einen neuen Anlauf für die Besetzung dreier Posten am Bundesverfassungsgericht. Mit Sigrid Emmenegger ernannte der Richterwahlausschuss des Parlaments eine neue Kandidatin.
Bei der geheimen Wahl im Plenum sind zwei Drittel der abgegebenen Stimmen nötig. Union, SPD und Grüne könnten auf Stimmen der Linken oder der AfD angewiesen sein, weil sie im Bundestag sieben Sitze weniger als zwei Drittel haben.
Ramelow hält Vorgehen der Union für "selten dämlich"
Grüne und Linke sehen in erster Linie die schwarz-rote Koalition in der Verantwortung dafür, dass die am Donnerstag geplante Wahl von drei Richtern für das Bundesverfassungsgericht gelingt.
Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow kritisierte Unionsfraktionschef Jens Spahn vor der Wahl im Bundestag scharf. "Dass jetzt allein die SPD vorgeschickt wird, um mit uns über die Kandidaten der Koalition zu reden, ist selten dämlich", sagte der Linken-Politiker dem "Stern". Er warf Spahn "grottenschlechtes Handwerk" vor.
"Das, was die Union schon beim letzten Mal versemmelt hat, versemmelt sie jetzt einmal mehr", sagte Thüringens Ex-Ministerpräsident. Er sei überhaupt nicht damit zufrieden, wie CDU und CSU zu Zweidrittelmehrheiten im Parlament kommen wollten.
Grüne werben um Unterstützung
"Eine erfolgreiche Richterwahl erfordert auch Stimmen der demokratischen Opposition - dafür haben Union und SPD Sorge zu tragen", sagte die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, der Nachrichtenagentur dpa. Ihre Fraktion werbe um Unterstützung und gehe davon aus, dass "alle demokratischen Fraktionen" für die Wahl aller drei vorgeschlagenen Kandidaten die gemeinsame Mehrheit stellen.
Nach dem "ungeheuerlichen Vorgang um die gescheiterte Richterwahl" vor der Sommerpause gehe es jetzt darum, "weiteren Schaden vom Bundesverfassungsgericht abzuwenden", erklärte Haßelmann.
Zweidrittelmehrheit bei Wahl nötig
Am Donnerstag soll der Bundestag nach Plänen von Union und SPD über die Besetzung von drei Richterposten am höchsten deutschen Gericht abstimmen. Für die nötige Zweidrittelmehrheit braucht die Koalition Stimmen von Grünen und Linken, wenn sie nicht auf die AfD angewiesen sein will.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Steffen Bilger, rechnet sicher mit der nötigen Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag für die drei Richter-Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Zwar habe die Linke-Fraktion ihren Abgeordneten nun die Abstimmung freigegeben, sagte der CDU-Politiker. Aber die Zahl der Parlamentarier der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD sowie der oppositionellen Grünen liege zusammen sehr knapp unter der Zweidrittelmehrheit, so dass nur wenige Linke in der geheimen Abstimmung mitstimmen müssten. "Also unterm Strich sind wir wirklich zuversichtlich, dass das reicht", sagte Bilger - auch ohne "irgendwelche Gespräche oder Deals".
Spahn glaubt, dass es klappt
Unionsfraktionschef Jens Spahn gab sich bereits am Sonntag zuversichtlich. "Ja, das wird klappen am Donnerstag", sagte der CDU-Politiker in der ARD-Sendung "Caren Miosga". Emmenegger sei eine "sehr gute" Kandidatin. Er habe zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus der Fraktion ein Gespräch mit Emmenegger geführt, berichtete Spahn. Sie sei "sehr überzeugend" und "fachlich versiert". "Und deswegen wird es am Donnerstag gut gelingen", versicherte Spahn.
Die gescheiterte Richterwahl im Juli hatte vor der parlamentarischen Sommerpause für Verstimmungen in der Koalition gesorgt. Die SPD warf der Union vor, Zusagen nicht eingehalten zu haben. Vor allem Spahn stand als Fraktionsvorsitzender stark in der Kritik. Spahn räumte nun ein: "Das hätte nicht passieren dürfen." Als wichtigste Lehre aus der gescheiterten Abstimmung bezeichnete Spahn die Bedeutung rechtzeitiger Abstimmungen: "Meine größte Erkenntnis - das ist banal, aber rechtzeitiges Reden und Kommunizieren ist wichtig auf allen Ebenen."
Linke bleibt gesprächsbereit
Die CDU hat einen Parteitagsbeschluss, der "Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland" ausschließt. Spahn hatte am Sonntag erklärt, der Koalitionspartner SPD habe sich mit Grünen und Linken verständigt. Die Linke stellt es ihren Abgeordneten frei, wie sie bei der Wahl neuer Bundesverfassungsrichter im Bundestag abstimmen.
Auch die Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek kritisierte Spahn. "Jens Spahn weiß selbst am besten, dass seine Partei schon lange mit der Linken zusammenarbeitet, beispielsweise in Sachsen und Thüringen", sagte sie dem Stern. "Mit jeder Dämonisierung von uns manövriert er sich weiter in die Ecke." Dennoch bleibe ihre Partei gegenüber der Union gesprächsbereit.
Zwei Stunden für die Abstimmung
Nach dem Platzen der Richterwahl im ersten Versuch nimmt sich der Bundestag für den zweiten Anlauf besonders viel Zeit. 120 Minuten sollen die Wahlurnen bei der Abstimmung am Donnerstagnachmittag (16.20 Uhr) geöffnet sein.
"Wir wollen natürlich sicherstellen, dass möglichst alle Abgeordneten an der Wahl teilnehmen können", begründete Bilger das ungewöhnlich große Zeitfenster. Es gebe ja auch während der Plenarsitzungen des Parlaments "immer unzählige andere Termine", die "alle möglichen Abgeordneten" beschäftigen würden.
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