Neues Sachbuch zeigt, wie die DDR Frauen bis heute prägt
- Für ihr neues Buch porträtiert Autorin Annette Schuhmann Frauen, die durch die DDR geprägt worden sind.
- Viele Frauen berichten von einer "Ostseele", die sich besonders in privaten Beziehungen widerspiegelt.
- Das Buch zeigt, wie Kompromisse und Widerstandsfähigkeit die Lebensgeschichten der Frauen prägt.
Was ist eigentlich eine "Ostfrau"? Eine Person, die in der DDR geboren wurde und heute in Ostdeutschland lebt? Oder darf die "Ostfrau" zwischendurch auch in den Westen gezogen sein? Der Begriff "Ostfrau" taucht jedenfalls bis heute auf, mal gelobt als besonders authentische und starke Frau, mal eher herablassend als Gegenentwurf zur Frau von Welt.
Nun ist ein Sachbuch erschienen, das das Thema "Ostfrau" etwas ernsthafter und tiefgründiger ausleuchtet: "Wir sind anders! Wie die DDR Frauen bis heute prägt" von Annette Schuhmann.
Interviews mit "Ostfrauen" jeden Alters
Googelt man den Begriff "Ostfrau", so taucht oft ein zweiter Begriff auf und der lautet "Mythos". Ein Mythos wird im Duden mit folgenden Worten erklärt: 1. "überlieferte Dichtung aus der Vorzeit eines Volkes" und 2. "eine Person, Sache, Begebenheit, die aus meist verschwommenen Vorstellungen heraus legendären Charakter hat". Ist die Ostfrau also eine Legende aus der Vorzeit eines Volkes?
Die DDR war eine Diktatur. Wie man sich dort verhalten hat, in diesem Erfahrungsraum, war sehr unterschiedlich.
Nun ja. Annette Schuhmann vermeidet glücklicherweise den Begriff "Ostfrau" im Titel ihres aufschlussreichen Buches "Wir sind anders. Wie die DDR-Frauen bis heute prägt". Die Historikerin hat dafür mit dreizehn sehr unterschiedlichen Frauen gesprochen, deren Altersspektrum sehr weit ist. Manche sind noch vor der Gründung der DDR geboren worden, manche sogar erst nach der Wiedervereinigung.

Natürlich hinterlässt dieses Land auch seine Spuren bei den Nachgeborenen, auch was Werte und Einstellungen betrifft.
Trotzdem teilen sie einen gemeinsamen Erfahrungsraum, wie die Autorin erklärt: "Sie kommen alle aus der DDR, die DDR war eine Diktatur. Wie man sich dort verhalten hat, in diesem Erfahrungsraum, war sehr unterschiedlich." Das Verhalten sei vom Beruf abhängig gewesen, von den Netzwerken, die man hatte, vom Wohnort und auch von der Loyalität dem Staat gegenüber, argumentiert Schuhmann und schlussfolgert: "Aber alle mussten sich in irgendeiner Form verhalten."
Frauen beschreiben eine "Ostseele"
Eine der Frauen, die Annette Schuhmann sehr vertrauensvoll und offen aus ihrem Leben erzählt, ist Brigitte F. 1952 im Prenzlauer Berg in Ost-Berlin geboren und aufgewachsen, wird sie in der DDR Erzieherin. Ein missglückter Fluchtversuch bringt sie ins Frauengefängnis Hoheneck. Von dort wird sie freigekauft und lebt viele Jahre in West-Berlin. Dennoch schreibt sie sich bis heute eine "Ostseele" zu.
Die Erfahrungen mit Ostdeutschen sind verbindlicher, die Freundschaften sind tiefer, die Verständigung geht schneller.
Natürlich will Annette Schuhmann wissen, was damit gemeint ist, denn viele ihrer Gesprächspartnerinnen berichten ihr von diesem Phänomen. Die Erklärungen seien oft diffus, würden aber immer auf den Bereich des Privaten, der persönlichen und freundschaftlichen Beziehungen hinauslaufen. "Die Erfahrungen mit Ostdeutschen sind verbindlicher, die Freundschaften sind tiefer, die Verständigung geht schneller."
Paula, die jüngste Frau in diesem Buch, ist gerade 24 Jahre alt und auch Lena wird erst nach der Wiedervereinigung geboren. Trotzdem sind auch ihre Leben durch die Herkunft aus einer DDR-Familie geprägt, durch Eltern, Großeltern, Kindergärtnerinnen und Lehrkräfte.
"Natürlich hinterlässt dieses Land auch seine Spuren bei den Nachgeborenen, auch was Werte und Einstellungen betrifft", meint Schuhmann. Sowohl Lenas als auch Paulas Mutter seien voll berufstätig gewesen. Ein Fakt, der grundsätzlich nicht in Frage gestellt worden sei.

Ein wichtiges Buch zur Realität der Ostfrauen
Besonders berührend ist das Kapitel, in dem Annette Schuhmann über ihre Mutter schreibt. Die ist heute fast 90 Jahre alt und erlebt drei sehr unterschiedliche politische Systeme mit. Angesichts der Stagnation und des Verfalls der DDR rät sie ihrer Tochter in den 1980er-Jahren, das Land zu verlassen.
Es sind wirklich eindrückliche Lebensgeschichten, die hier erzählt werden, sehr verschieden, aber doch auch ähnlich. Viele der Frauen müssen in der DDR und auch danach immer wieder Kompromisse machen, sich sowohl beruflich als auch privat anpassen und unterordnen. Selten führen sie das Leben, von dem sie geträumt haben. Aber keine der Frauen gibt auf, alle machen irgendwie weiter.
Die "Ostseele" ist vermutlich nicht die allerfröhlichste, aber sie scheint besonders widerstandsfähig zu sein. "Wir sind anders! Wie die DDR Frauen bis heute prägt" von Annette Schuhmann ist ein sehr ehrliches und schonungsloses Buch, das dem Mythos "Ostfrau" die weit weniger mythische Realität gegenüberstellt. Ein gutes, ein wichtiges Buch.
Informationen zum Buch

Annette Schuhmann: "Wir sind anders! Wie die DDR Frauen bis heute prägt"
Verlag Hoffmann & Campe
368 Seiten
28 Euro
ISBN 978-3-455-02055-7
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