• Übergriffe in Pflegeeinrichtungen gehen sowohl von Pflegenden als auch von Pflegebedürftigen aus.
  • Auch wenn die Übergriffe schwer zu erfassen ist, deuten die Zahlen auf einen deutlichen Anstieg hin.
  • Viele setzen auf die Pflegereform – und hoffen auf bessere Bedingungen, um Gewalt vorzubeugen.

In Rudolstadt und Bad Blankenburg betreibt die Diakonie zwei Pflegeheime mit insgesamt rund 130 Bewohnerinnen und Bewohnern. Ein Großteil von ihnen leidet unter Demenz. Nicht nur deswegen ist der Alltag herausfordernd. Die Menschen seien auch dünnhäutiger, reizbarer geworden, sagt Heimleiter Stefan Giller, Mitarbeitende genauso wie Angehörige oder Bewohner. Hin und wieder führe das zu gewaltvollen Situationen. "Wir hatten beispielsweise eine sehr schwierige Situation mit einem sehr auffälligen demenzkranken Menschen, wo dann die Mitarbeiterin gesagt hat: Sorgt dafür, dass das nicht wieder passiert oder ich höre auf."

Gewalt von beiden Seiten

Ulrike Kempchen hat als Rechtsberaterin der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen regelmäßig mit Fällen von Gewalt in Pflegeheimen zu tun. Wenn auch eher von der anderen Seite. Sie nennt Beispiele: Wenn Bewohner bewusst ignoriert, Pflegeleistungen unterlassen würden. Oder wenn einem Bewohner die Nase zugehalten werde, damit er sein Essen runterschlucke. "Das Schlimmste, was ich in letzter Zeit sehen durfte, war ein heimlich mitgeschnittenes Video, wo eine Pflegekraft, bevor sie eine Vorlage gewechselt hat, die sich selbst durch den Intimbereich gezogen hat. Das sind wirklich schon Körperverletzungsabsichten, denn da können Keime übertragen werden."

Übergriffe in Pflegeeinrichtungen nehmen zu

Welche Dimension das Problem hat, ist schwer zu fassen. Laut einer aktuellen Anfrage der Linken im Landtag von Sachsen-Anhalt steigt die Zahl der sogenannten Rohheitsdelikte in Pflegeeinrichtungen seit Jahren an. Das können zum Beispiel Bedrohungen oder Körperverletzungen sein. Laut polizeilicher Kriminalstatistik gab es 2019 in dem Bundesland 66 solcher Taten, 2024 schon 186.

Simon Eggert leitet den Forschungsbereich beim Zentrum für Qualität in der Pflege, kurz ZQP. Es sei schwieriger Aussagen über Gewalttaten gegen pflegebedürftige Personen zu treffen als über Gewalt gegen Pflegende, erklärt er. "Weil man Pflegende direkt befragen kann, ob sie Opfer geworden sind. Pflegebedürftige kann man oft nicht so gut befragen. Da ist man auf Zeugenaussagen angewiesen. Deswegen gibt es für Deutschland keine guten Prävalenzzahlen."

Man kann sich nur annähern: So berichten in einer bundesweiten Untersuchung des ZQP 69 Prozent der befragten Leitungspersonen von mindestens einem Fall von Gewalt in ihrer Einrichtung innerhalb des zurückliegenden Jahres. Am häufigsten zwischen Bewohnerinnen und Bewohnern, einige Gewalttaten gingen aber auch von Mitarbeitern oder Angehörigen aus.

Hoffen auf die Pflegereform

Besonders in der stationären Langzeitpflege sei man auf Zeugenaussagen angewiesen, um Gewaltvorkommnisse und schwere Missstände aufzudecken, berichtet Eggert. "Tatsächlich sind Beobachtungen durch Angehörige oder Mitarbeiter die häufigste Quelle, die sich dann trauen müssen, irgendjemandem etwas zu sagen."

Das Bewusstsein für das Thema sei glücklicherweise gestiegen, sagt Simon Eggert. Auch bei der Diakonie. Heimleiter Stefan Giller hofft nun auf die anstehende Pflegereform des Bundes. Denn mit guten Rahmenbedingungen, zum Beispiel mehr Personal, könne man auch etwas gegen Gewalt in der Pflege tun.

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